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Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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geschehen, weil die meisten Studenten (um in Nähe der Universität zu sein) in dem Neustädtischen Bezirk Wohnung genommen haben.«
    Erwägungen dieser Art führten begreiflicherweise zu dem Entschluß, es mit »Pension und Alumnat« nicht übereilen zu wollen, bis, nach Ablauf von abermals anderthalb Jahren, eine Verpflanzung in die große Stadt nicht wohl länger hinausgeschoben werden konnte.
    Doch auch jetzt nicht in eine »Pension«. Es wurde vielmehr beschlossen, den nun Siebzehnjährigen ohne weiteres in den Kreis der Studierenden eintreten und im Hause des befreundeten Geheimrats Focke Wohnung nehmen zu lassen.
    Das war im April 1812. Allerhand Collegia kamen auch wirklich an die Reihe, viel regelmäßiger aber als diese wurden Visiten gemacht und Gesellschaften besucht, und aus zahlreichen Nachschriften und Randbemerkungen ersehen wir, daß es die Reckes und Itzenplitzes, die Beymes und Boguslawskis waren, in deren Zirkel er vorzugsweise verkehrte. Dazu die Fockes selbst. Zu den ihm gleichaltrigen Söhnen einiger dieser Häuser unterhielt er alsbald die herzlichsten Beziehungen, und wenn in Liebenberg ein Fuchs gejagt oder ein ländliches Fest gefeiert wurde, so brach die ganze Freundschaft auf, um auf einen Tag oder eine Woche daran teilzunehmen. »Am 1. August hatten wir Erntefest«, schreibt der Alte. »Karl und drei Söhne von Geh. Rat Focke waren herübergekommen, und als weitere Zuschauer hatten sich die Seilers und hernach auch die Gentz und Bergemanns von Gransee her eingefunden. Die jungen Leute wollten tanzen, und es entstand nun ein Ball von sechs Paaren, der bis zehn Uhr dauerte. Ich hätte gewünscht, Du wärest mit dabei gewesen. Ein solches Impromptu verläuft oft besser als eine geplante Festivität.« Und vier Tage später: »Auch eine Goldne Hochzeit haben wir gehabt, die der alten Guichards, wobei sich's traf, daß Karl und die jungen Fockes noch hier waren. Alles verlief aufs beste. Die Neumann hat etwas davon in die Zeitungen rücken lassen, was mit meinem Hange, vergessen zu sein, wenig übereinstimmt.«
    Er schreibt wörtlich: »mit meiner Gemütlichkeit , vergessen zu sein«. Überhaupt finden sich viele sprachlich originelle Wendungen.
    In dieser Weise ging das Leben Karl von Hertefelds, und erst bei Beginn des Winterhalbjahres war er der gesellschaftlichen Zerstreuungen insoweit überdrüssig, daß er ein regelrechtes Studium anfing, statt sich bloß »Studierens halber aufzuhalten«. Er warf sich zunächst auf Physik und deutsche Literatur, insonderheit auf das »Alt-Deutsche«, was eben damals in die Mode gekommen war. Obenan das Nibelungenlied, über das man übrigens in Liebenberg ebenso klein und gering dachte wie dreißig Jahre früher in Sanssouci. Wenigstens schrieb der Alte: »Gestern, beim Aufräumen, ist mir auch das Nibelungenlied in die Hände gekommen, und schick ich es Dir, weil ich mittlerweile vernommen habe, daß Du Vorlesungen darüber hörst. Wenn übrigens der Nibelungen-Siegfried in Xanten seinen Sammelplatz gehabt hat, so ist vielleicht eine Dissertation über den Ort zu schreiben, wo er den Lindwurm totschlug. Ich, meinesteils, würde vermuten, daß es in der an Xanten grenzenden Bonnekather Heide geschehen sein müsse, die so wüst daliegt, als ob ein Lindwurm seine volle Bahn darauf gehabt habe. Vorzeiten trugen unsre Bänkelsänger die Geschichte vom gehörnten Siegfried und vom Reineke Voß auf dem Land herum und sangen ihre Knittelverse dazu. Wer damals gedacht hätte, daß solche Märchen noch aufs Katheder kommen würden! Tempora mutantur et nos mutamur in illis.« –
     
    Es läßt sich annehmen, daß Karl von Hertefelds Eifer an diesem Spotte nicht erlahmte, die Zeit im ganzen aber war der wissenschaftlichen Beschäftigung ungünstig, selbst widerstrebend, und als in den ersten Tagen des Jahres 13 die Yorcksche Kapitulation in Berlin bekannt wurde, war es mit dem Studium auf lange hin vorbei. Nur ein Gefühl beherrschte die Gemüter, insonderheit der Jugend, und Karl von H. wäre mit unter den ersten gewesen, die damals die Waffen nahmen und auszogen, wenn nicht seinem eignen Enthusiasmus ein absolut unenthusiastischer Vater mit sehr abweichenden Ansichten und Wünschen entgegengestanden hätte. So bracht er seiner Kindesliebe das denkbar schwerste Opfer und blieb , ohne sich durch Mißdeutungen, denen er kaum entgehen konnte, beirren oder umstimmen zu lassen.
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    In einer Nachschrift obigen Briefes findet sich, übrigens ohne jeden

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