Fünf Schlösser
sitzen sie stundenlang und drehen und laden Flaschen und freuen sich, wenn der Funke überspringt.«
Ein halbes Jahr lang dauerten diese »Ferien«, und als endlich die Trennung erfolgen mußte, beschloß der alte Freiherr, um Karl in seiner Vereinsamung zu trösten oder schadlos zu halten, eine Reise mit ihm zu machen. Und zwar nach Hamburg. Das war im Mai oder Juni 1805, und der phantasievolle Knabe begeisterte sich nicht nur an der sich groß und neu vor ihm erschließenden Welt, sondern unterließ auch nicht, eine Beschreibung davon in einem sechzehn Quartseiten langen Briefe zu Papiere zu bringen. Ebendieser Brief ist uns aufbewahrt geblieben und kann, als Elaborat eines Zehnjährigen, für musterhaft gelten. Er zeigt schon, neben einer überraschend scharfen Beobachtung, denselben guten Humor, der seine späteren Briefe, von denen ich einige mitzuteilen gedenke, kennzeichnet. In Vater und Sohn ist dasselbe talent épistolaire erkennbar, trotzdem ihre Schreibweise sehr verschieden ist. In dem Vater herrscht der Philosoph, in dem Sohn der Matter-of-fact-Mann vor.
An die Rückreise von Hamburg schloß sich ein kurzer Aufenthalt in Berlin, wo Geheimrat Dr. Formey wegen Karls »anfälliger Gesundheit« konsultiert werden sollte. Forrney gab aber Trost und Hoffnung und versicherte, »daß das alles mit einem schwachen Nervensystem zusammenhänge; später werd er gesund werden, ganz gesund«. Und er hatte wahr gesprochen.
Aus den Jahren, die nun unmittelbar folgen, erfahren wir wenig, und erst um 1808 werden die Mitteilungen wieder reicher. Karl von Hertefeld ist nun vierzehn geworden und hat ganz die Beschäftigungen und Allüren eines angehenden Junkers. »Er bengelt jetzt viel, und seine Passion fürs Umhertummeln wächst, seit ich ihm letzten Weihnachten die kleine Fuchsstute geschenkt habe. Beständig liegt er draußen, um einen seltenen Hasen aufzuspüren, denkt an nichts mehr als an Hund' und Pferde und pflegt, wenn sich die Gelegenheit bietet, die sechs Meilen zwischen Liebenberg und Berlin im Sattel zu machen.«
Er wurde nun auch ganz als »Erbprinz« gehalten, und im folgenden Jahre veranstaltete der alte Freiherr, der die Menschen und ganz besonders seine Liebenberger kannte, einen erbprinzlichen Geburtstag. »Am 27. v. Monats haben wir Karls Geburtstag durch eine Hochzeit gefeiert. Eins unserer Hausmädchen, das von mir ausgestattet war, wurde mit ihrem Bräutigam getraut, den ich vorher eigens zum Hofmeier ernannt hatte. Fockes aus Berlin waren mit zugegen und freuten sich der ländlichen Szene, die für die Großstädter etwas Neues und für die Liebenberger ein Festtag war.«
In demselben Winter wurde Karl »in den Unterricht« geschickt oder, um es noch märkischer auszudrücken, »in die Predigerstunde«, was, da Liebenberg keinen Prediger hatte, mit einer allwöchentlich zweimaligen Reise nach Zehdenick gleichbedeutend war. Ostern 1810 erfolgte dann die Konfirmation.
Und nun war die Zeit da, wo die längst angeregte Frage: »wie's mit der weitren wissenschaftlichen Ausbildung des Sohnes zu halten sei«, wenigstens auf ein paar Wochen hin eine wiederum viel ventilierte wurde. Das Liebenberger Leben in seiner Eingezogenheit und Stille konnte schließlich nicht ewig dauern, und Alexandrine, die, wie bei allem, so auch hierin zu Rate gezogen wurde, proponierte schließlich Pension oder Alumnat. »Ich habe selbst schon an dergleichen gedacht«, antwortete der Alte, »gestehe Dir aber, daß ich durch alles, was ich von Berliner Pensionsanstalten gesehen und geprüft habe, geradezu zurückgeschreckt worden bin. Bei dem Direktor des Joachimsthals, wo der junge Reck ist, kann man Griechisch und Latein genug in den Klassen lernen; aber damit basta. Im übrigen ist der Umgang mit den dort studierenden Bengeln, trotzdem das Joachimsthal immer noch als das beste gilt, äußerst gefährlich. Lüderlichkeit herrscht in den meisten derartigen Anstalten, in der Stadt überhaupt 2) , was Du schon daraus ersehen magst, daß man, um die neue Universität vor derartig üblen Einflüssen zu sichern, den ›Neustädtischen Bezirk‹, also den ganzen Stadtteil von der Schloßbrücke bis zum Brandenburger Tor und von der Letzten Straße (Dorotheenstraße) bis zur Kochstraße, von allen lüderlichen Etablissements gereinigt hat. Selbst die berüchtigte Madame Bernard hat ihr Haus in der Behrenstraße verkaufen und mitsamt ihren Nymphen sich außerhalb des eben angegebenen Bezirks niederlassen müssen. Dies ist
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