Fünf Schlösser
Wir sind doch alle weit glücklicher, als der Urheber alles dieses Übels, denn wie mag es mit dessen Gewissen stehen? Es ganz zu unterdrücken ist nicht möglich, und sicherlich ist er allen Gefahren nur entgangen, um dereinst mit seinem Gewissen eine lange Konferenz zu haben.
Nachschrift . Alles bleibt hier beim alten, nur daß die Unredlichkeiten zunehmen. Die Wälder werden ihrer Eichen beraubt, die nach Magdeburg abgeführt werden, und 6000 Pferde werden von uns gefordert ohne der Bezahlung zu erwähnen. Gott sei's geklagt, wie mit uns in vollem Frieden gehandelt wird.
L., den 23. Februar 1808
Daß Du die Bekanntschaft des Herrn Generals und der Frau General Lestocq gemacht hast, ist mir um so lieber, als ich dadurch erfahre, daß beide noch an mich denken. Es sind durchaus rechtliche und brave Menschen, dabei von sanftem, angenehmem Umgang, denen ich von Herzen gut bin; sage doch beiden in meinem Namen, was Freundschaft Dir eingeben kann, und versichere sie, daß ihr Andenken mir außerordentlich wert ist. – Der Frau Gräfin Voß , deren Erinnerung mir ungefähr so viel wert ist als das Anfliegen eines Papillons, wolle doch ja versichern, daß die Poule blanche zu Liebenberg in unserer Wohnstube als wahres Andenken hängt. – Der Hof tut sehr wohl daran, eingeschränkt zu leben, denn wenn er wieder hierherkommt, so wird er, wie die Holländer sagen, einen »desolaten Bödel« finden. Alles wird aufgezehrt, verschuldet, und die Plünderung ist methodisch, ohne das Ende davon zu sehen. – Als der Adjutant von Jagow hier die Niederkunft der Königin ankündigte, war ich in Berlin und sah ihn auf der Straße; hätte man mir nicht gesagt, daß er es wäre, so hätt ich ihn nicht erkannt, dermaßen hat er an Volumen zugenommen. Hier nehmen die Leute nicht zu, sondern ab; ja unglaublich viel sind vor Gram gestorben. Das habe ich nun zwar nicht getan, und abgenommen hab ich auch nicht (da ich vorhin schon nichts zu missen hatte), aber der Kopf ist fast ganz kahl, und was noch von Haaren da ist, bedarf keines Puders.
Nachschrift . Der alte Herr, der jetzt am Militärruder sitzt, stößt manche brave Männer, die sich ihm zeigten, vor den Kopf. Ich höre darüber manche Klagen.
L., den 17. April 1808
Ich fühle meine Isolierung täglich mehr und habe bei Betrachtung des allgemeinen Schicksals manche trübe Stunde. Die Schindereien währen bis zur Niederträchtigkeit fort; will man sich nicht darin geben, so heißt es, »man habe üblen Willen«, tut man aber, als merke man's nicht, und gibt und gibt, so werden vor den Augen Bücklinge gemacht, hinterrücks aber lachen die Ehrenmänner. Ich bin nun so weit, daß ich nicht einem traue. Leichtsinn, Eitelkeit und eine fürchterliche Habsucht haben die Moralität dieser Menschen vernichtet; das einzige, worin alle übereinkommen, ist, »daß Bravour die erste der Tugenden sei«. Sie ist aber vielmehr die einzige bei ihnen.
L., den 30. Mai 1808
Was Du über die Hofluft sagst, ist sehr wahr. Wir hören hier so manches, was wirklich niederschlagend ist. Herr von Stein geht, und Herr von Voß wird die Immediatkommission dirigieren. Von den Personen, die jetzt oben in Königsberg Einfluß haben, kenn ich wenige; es sollen aber meistenteils ganz ordinäre Menschen sein, das, was die Franzosen pauvres gens oder gens sans moyens nennen. – Unter den beiseite gelegten Militärs zeichnet sich hier der von Massenbach aus, der eigentlich an der Hohenloheschen Katastrophe schuld ist und in seinen Schriften alle andern Unglücksgefährten angreift. Der Mensch muß wahrlich nicht klug sein, denn indem er die andern inkulpiert, deckt er seine Blöße auf. Man hat unrecht, zu sagen, daß es unserm Militär an Mut gefehlt habe; nein, das war es nicht; mehrere Regimenter und Bataillone haben ihre Pflicht getan, aber die Leitung war elend und die jungen Herren, die in der Nähe des Thrones eine Rolle gespielt hatten, waren verweichlicht, und bei allem Manövrieren war eine der Hauptsachen vergessen, nämlich die des kleinen Dienstes gegen den Feind. Man ging vorwärts ohne Vortrupp, ohne Rekognoszierung, und so kam es denn, wie es zutage liegt. – Grüße die Familie von Lestocq und sage dem General, ich wäre noch von demselben Geiste beseelt wie unter dem großen König. Hier ist alles unverändert; man sieht des Elends so wenig als der treulosesten Insolenz ein Ende. Wahrlich, man muß seinen Verstand gefangennehmen, um nicht alle Hoffnung zum Besseren daranzugehen. –
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