Fünf Schlösser
unmöglich war zu referieren, ohne zu kritisieren. Ob diese seine Kritik überall eine richtige war, ist mindestens zweifelhaft. Er versah es, mein ich, darin, daß er, um beispielsweise nur einen Namen, den Hardenbergs, zu nennen, Person und Sache nicht ausreichend zu scheiden, die Schwierigkeiten der Lage, ganz besonders auch die der zu schaffenden Hilfe, nicht genugsam zu würdigen und alles in allem sich vor einer, wenigstens teilweise, aus Alter, Neuerungsunlust und geschädigtem Interesse herstammenden Einseitigkeit nicht zu wahren wußte. Aber gerade diese Einseitigkeit, die uns zur Opposition gegen seine Opposition zwingt, ist sehr lehrreich und außerdem noch in hohem Grade dazu angetan, uns in einem freudig dankbaren Gefühle für alles seit jener Zeit und durch jene Zeit Errungene zu bestärken.
Ich gehe nun zu den brieflichen Aufzeichnungen selbst über und teile dieselben, auszugsweise, nach Jahren geordnet mit. Es ergibt sich aus dieser chronologischen Einteilung auch zugleich eine Gruppierung dem Stoffe nach.
1806 bis 1808
In den letzten Oktobertagen 1806 war Liebenberg geplündert und infolge davon auch die bis dahin zwischen Friedrich Leopold von H. und seiner Tochter Alexandrine geführte Korrespondenz unterbrochen worden. Erst aus dem Herbst 1807 finden sich wieder Briefe vor, in denen der alte Freiherr über das Elend des Landes und den Übermut der Unterdrücker Klage führt. Am meisten aber beklagt er die Feigheit und Zerfahrenheit im Lande selbst und die falschen und teils unsicheren Schritte derer, die der herrschenden Zerfahrenheit steuern sollten. Er wünscht sich aus diesem Leben voll Plackereien und Unwürdigkeiten heraus, und nur wenn die Tochter einen ähnlich trüben Ton anstimmt, ermahnt er sie, »weil sie noch jung sei«, zum Erharren einer besseren Zeit.
Ebendiesem wechselvollen Tone der Anreizung und Besänftigung begegnen wir auch in den Briefen aus dem nächstfolgenden Jahre (1808), aus deren Reihe hier ein paar nur als Stimmungsbilder eine Stelle finden mögen.
Liebenberg, den 19. Januar 1808
Auf die traurigen Vorstellungen, die Du Dir machst, sage ich Dir, daß ich alles, was Du von der Zukunft sagst, wohl überdacht habe. Du siehst alles in einem zu dunklen Schatten; der alte Gott ist noch immer derselbe, wenngleich er zuläßt, daß anjetzo so vieles Unheil in der Welt ist. Es wird sich ändern, und Du mußt alles tun, es bis dahin zu tragen. Ich wenigstens hab es mir jetzt zur Pflicht gemacht, den Widerwärtigkeiten entgegenzuarbeiten. Laß Dich durch die empfundenen traurigen Vorfälle nicht niederschlagen und sorge nicht ängstlich für die Zukunft; alles, was wir mit unserer Vernunft nicht abwenden können, ist Schicksal, und dem Schicksal müssen wir ruhig entgegengehn, weil es nicht zu ändern ist. Oft ist auch die Hilfe näher, als wir glauben. Noch freilich haben wir die Gäste hier; gehen sie indes nicht bald, so muß Hunger und Elend sie bald ohn unser Zutun vertreiben, denn der Bauer verkauft schon das ihm Nötige, um das unzufriedene Volk zu füttern.
Liebenberg, den 2. Februar 1808
Hier ist es noch immer, wie es war, keine Aussicht zum Abmarsch, zunehmendes Elend unter den meisten Klassen und steigende Preise der meisten Lebensbedürfnisse. Dabei zunehmender Geldmangel. Das Gold und Courant verschwindet gänzlich; nicht nur die unerhörten Kriegssteuern nehmen es fort, sondern die französischen Kommissariatskerls und ihre Affilierten, die sich auf unsere Rechnung bereichert haben, wechseln es des leichteren Fortbringens wegen ein und zahlen uns den Betrag in Groschen aus. Dahingegen läßt der, der keine Groschen nimmt, immerfort Groschen unter Friedrichs Stempel schlagen, und wenn die Armee einmal ein paar Monat ihres rückständigen Soldes empfängt, so wird sie in Groschen bezahlt. Dazu kommt noch, daß eine Menge falscher Groschen in Altona von Schelmen fabriziert und in Umlauf gebracht worden sind, wodurch diese Geldart vollends allen Kredit verliert.
L., den 15. Februar 1808
Du bist in den Jahren, noch bessere Zeiten zu erleben. Diese Aussicht bleibt mir aber nach durchlebten siebenundsechzig Jahren nicht . Demungeachtet arbeite ich wieder darauf los, als wenn ich noch lange Zeit vor mir hätte. Bei mir rührt das von einer gewissen Hartnäckigkeit her und von der Lust der hämischen Freude, so mancher Schadenfrohen entgegenzuwirken. Dabei denke ich, solange man noch den Kopf oben und die Beine unten hat, muß man seinen alten Weg gehen.
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