Fünf Schlösser
sein Urteil schädigendes bürgerliches Parteigefühl, das durch Verbeugungen gegen die Hohenzollern und ein unausgesetztes Auf-ihre-Seite-Treten 1) an Freiblick nicht gewinnt, durchdringt seine ganze Darstellung und macht ihn trotz wundervoller Einzelkenntnis der von ihm beschriebenen Zeit unfähig, diese Zeit von einem höheren Standpunkt aus zu betrachten. Er übersieht, auf Prinzip und Politik hin angesehen, daß alles, was damals einen vornehmen Namen und ein gesellschaftliches und moralisches Ansehen in der Mark Brandenburg hatte, den Standpunkt der Quitzows teilte, was doch, wenn er nicht gewillt ist, den gesamten damaligen Adel für eine zufällig mit Machtbefugnissen ausgestattete Räuberbande zu halten, einer Rechtfertigung der Fronde ziemlich gleichkommt. Er übersieht des weiteren, daß die Kriegführung der Mecklenburger und Pommern-Herzöge, vor allem die des Magdeburger Erzbischofs 2) , um kein Haarbreit anders war als die der Quitzows und ihres Anhangs, und übersieht zum dritten, daß alle die Genannten, wenn es ihnen paßte, sich nicht nur direkt der Quitzowschen Kriegskunst und Kriegstapferkeit, sondern auch der Quitzowschen Kriegsführungs formen , also, wenn man so will, des Räuberstils bedienten. Einer wie der andere. Dies sind die Gründe, die mich in diesem Streite auf Raumers Seite treten lassen. Bei Riedel nimmt das Bürgergefühl Anstoß an der Adelsüberhebung und ficht doppelt sicher hinter dem Schilde der Loyalität. Raumer steht drüber, Riedel steckt drin. Er ist der Rat von Heilbronn, der über den gefangenen Götz von Berlichingen zu Gerichte sitzt.
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Dies ist ein mitunter, so zum Beispiel auf S. 157 und S. 170 der Riedelschen »Zehn Jahre«, sehr störend hervortretender Zug. Dietrich von Quitzow hatte, nachdem er landflüchtig war, eine Klageschrift aufgesetzt, in der er nachzuweisen trachtete, daß der Burggraf ihm, seinem Bruder Hans und dem Kaspar Gans zu Putlitz verschiedene Zusagen nicht gehalten habe. Riedel weist dies ohne weiteres zurück. Nun mag diese Zurückweisung berechtigt sein, obschon ich nicht leugnen kann, daß ich auch nach der Seite hin wieder starke Zweifel unterhalte, Zweifel, die, wenn ich nicht irre, von Raumer geteilt werden. Riedel aber behandelt die Sache so, wie wenn in einer derartigen Kontroverse zwischen einem fränkischen Fürsten wie Friedrich von Nürnberg und einem märkischen Adligen wie Dietrich von Quitzow von einem Zweifel überhaupt gar nicht die Rede sein könne. Hierin spricht sich aber, ich muß es wiederholen, eine Gesinnung aus, mit der ich durchaus nicht mit kann. Im Mittelalter galten List und Vorteil überall, und die Fürstlichkeiten, die beständig, und oft mehr als die von ihnen Beherrschten, zu den fragwürdigsten Mitteln griffen, was dann Politik hieß, entbehrten noch ganz, wenn man den Ausdruck gestatten will, jenes Heiligenscheines, mit dem wir sie heutzutage ganz aufrichtig, weil im ganzen genommen wohlverdient, umgeben. Es gibt zur Zeit kaum einen Fürsten, sicherlich nicht in Deutschland, von dem wir einer listigen Pfiffigkeit oder Zweideutigkeit oder gar Unehrlichkeit gewärtig wären. Das lag aber damals überall in der Welt sehr anders. Man lese beispielsweise den Schluß von Shakespeares »Heinrich IV.«, 2. Teil. Johann von Lancaster, Bruder des Prinzen Heinz, des spätern Heinrichs V., lädt den im feindlichen Lager stehenden Erzbischof von York samt den Lords Hastings und Mowbray zu einer Zusammenkunft ein und läßt sie dann, sein Wort brechend, zum Tode führen. Alle drei bezahlen ihr Vertrauen mit dem Leben. Und doch war Johann von Lancaster ein Prinz, ein Königssohn. Die Szene wirkt widerlich und verdirbt einem modernen Menschen in gewissem Sinne das ganze Stück, aber noch zu Shakespeareschen Zeiten lag es so, daß man, aus einem tudor-lancastrischen Parteigefühl heraus, an dieser Widerlichkeit keinen Anstoß nahm. [Image: Zurück]
In dem zweiten Kapitel dieses Aufsatzes habe ich, nach Wusterwitz' Aufzeichnungen, die Bestürmung und Eroberung der Stadt Rathenow durch den Erzbischof von Magdeburg, damals Albert von Querfurt ausführlich geschildert. Was zu jener Zeit seitens des Erzbischofs geschah, repräsentiert ein Quantum von Grausamkeit, das durch keine Tat der Quitzows erreicht, jedenfalls nicht übertroffen wird. Es gab in diesen Fehden überhaupt nur eine Form der Aktion; alles, was Wusterwitz erzählt, gleichviel nun, ob es die Pommern oder Mecklenburger, die Bischöflichen oder
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