Fünf Schlösser
Höhe liegen, daß man, über die nächsten Bäume hinweg, das vielfach bewegte Waldterrain, das Flußgebiet mit zahlreichen Buchten und großen Wasserflächen sowie die eine kleine Meile entfernte Residenz Potsdam mit ihren Schlössern und ihren rings um die Stadt gelegenen romantischen Villen übersieht. Die Loggien wurden außerdem noch durch Anordnung der Glocken motiviert, welche in dem kleinen Turm schwer Raum gefunden hätten und hier im Freien bei weitem besser geeignet sind, die auf eine halbe Meile entfernte Gemeinde zur Kirche zu rufen.«
Daß diese Glocken – die nach dem Wunsche der Prinzessin Charlotte (Kaiserin von Rußland) »mit ihrem Feierklange die abendliche Stille durchbrechen sollten« – in zurückliegender Zeit die recht eigentliche Veranlassung zum Bau der Kirche von Nikolskoë gewesen waren, diese Tatsache war den beiden Baumeistern (wenn sie je davon gewußt) bei Niederschreibung ihres Rechenschaftsberichtes sehr wahrscheinlich aus der Erinnerung gekommen, dem Pastor Fintelmann aber bei seinem Amtsantritt sicher ganz unbekannt geblieben, er würde sonst schwerlich, und zwar nach verhältnismäßig kurzer Zeit schon, angefragt haben: »ob nicht das tägliche dreimalige Läuten in der Kirche zu Nikolskoë auf die Sommermonate beschränkt werden könnte?« Worauf denn aus dem Hofmarschallamte der folgende, ziemlich ungnädige Bescheid erging: »Seine Majestät sind keineswegs mit der von Ihnen geäußerten Ansicht einverstanden und befehlen vielmehr, daß, während des ganzen Jahres , morgens, mittags und abends geläutet werde, und wollen auch, daß, wenn bisher in dem Filialdorfe Stolpe nicht geläutet wurde, dieses sogleich eingeführt werde.«
Die Peter-Pauls-Kirche zu Nikolskoë verfolgt also, um an dieser Stelle zu rekapitulieren, neben ihrer gottesdienstlichen Aufgabe vor allem zweierlei : sie soll als Bild in der Landschaft wirken und soll zweitens mit ihren Glocken die Stille romantisch-feierlichen Klanges unterbrechen. Und beides ist erreicht worden. Im übrigen gibt sich das Innere der Kirche ziemlich nüchtern, welche Nüchternheit auch durch drei die Kanzel zierende Medaillonbildchen nur wenig gemindert wird, weil alle drei Bildchen, so hübsch und bemerkenswert sie sind, nicht unmittelbar und durch sich selbst, sondern erst durch ihre Geschichte zur Geltung kommen. Zwei davon, die Apostel Petrus und Paulus , sind wertvolle Mosaikarbeiten (besonders Petrus mit dem Unterkleide von Lapislazuli), die Papst Clemens XIII. in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts dem König Friedrich II. zum Geschenk machte. Beide Bildnisse gehörten der Bildergalerie zu Sanssouci an, von der sie, während des Baus der Kirche, hierher kamen. Das dritte Medaillonbild ist ein »Christuskopf mit der Dornenkrone« nach Guido Reni und rührt nicht von einem kopierenden italienischen Meister, sondern vom Lehrer und Küster Fischer her, der, während der letzten Regierungsjahre König Friedrich Wilhelms IV., an der Schule von Nikolskoë amtierte. Fischer bat um die Erlaubnis, dies Bild machen und, wenn gut befunden, in das noch leere Kanzelfeld einsetzen zu dürfen. Nach erhaltener Erlaubnis begann er mit sorgfältiger Präparierung einer Tontafel. Dann schritt er zu einer majolikaartigen Bemalung derselben und brannte die Farben, unter Benutzung seines eigenen Backofens, ein. Einen ihm angebotenen Ehrensold lehnte er ab und bat nur um Bewilligung von »frei Arzt und Arznei«, welche Bitte mit dem Hinzufügen gewährt wurde, »daß diese Bewilligung nicht nur ihm , sondern ein für allemal allen Lehrern und Küstern an der Schule beziehungsweise Kirche von Nikolskoë zugute kommen solle«. So wurde sein Fleiß und seine Kunst zum Segen auch für seine Nachfolger, die sich, bei zufällig viel Krankheit, ihres Amtsvorgängers in besonderer Dankbarkeit erinnern.
In der Kirche von Nikolskoë blieb durch vierzig Jahre hin (von 1837 bis 77) so ziemlich alles beim alten. Erst das letztgenannte Jahr führte Veränderungen herauf. Am 18. Januar 1877 war die Prinzessin Karl gestorben und hatte, wohl in Erinnerung an hier trostreich verlebte Stunden, in ihrem Testamente den Wunsch ausgesprochen, »in der Peter-Pauls-Kirche zu Nikolskoë zu ruhn«. Im Einklange hiermit schritt man, nach einem Entwurfe des Hofbaumeisters Persius, zur Erbauung einer mit weißem, blauem und dunkelgrauem schlesischen Marmor getäfelten und zur Aufnahme von acht Särgen ausreichenden Gruft, 1) in der am 24. Mai früh
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