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Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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L., 23. Dezember 12
    Was Du mir über den angekommenen verhungerten Sekretär schreibst, ist tragisch genug, aber im Grunde genommen nur ein Geringes gegen das , was man hier von der Katastrophe vernimmt. Auch hier kommen so manche durch, die, wie Diogenes, nichts haben, als was sie auf dem Leibe tragen. Und versteht sich an Ohren und Händen erfroren. Obgleich wir nur brockenweis den Hergang erfahren, so reicht es doch aus, uns mit Schauder zu erfüllen. Was in Wäldern und auf Heerstraßen an Menschen und Pferden umgekommen ist, übertrifft vielleicht die Zahl derer, die das Schwert getötet hat. Nicht nur das ganze Hauptquartier ist jeder kleinsten Bequemlichkeit beraubt, sondern auch der Anstifter all dieses Unheils hat nichts gerettet, als was er auf dem Leibe hatte. General Narbonne , der, wie es heißt, hier negoziieren soll, kam hier so kahl an, daß er die ersten zwei Tage in seiner Stube bleiben mußte, um sich Wäsche und Kleider zu verschaffen. Aber glaube nicht, daß man sich bei dieser ersten verunglückten Probe beruhigen wird. Nein, man wird die Vorsehung aufs neue versuchen wollen. Dazu geschehen schon allerhand Zubereitungen. Das Scheusal Daru, der wieder Generalintendant sein soll, kam auf der Flucht in Gumbinnen an und sagte dem Präsidenten von Schön in seinem allerimperativsten Ton, »er müsse für den nächsten Winter für 100 000 Mann Lebensmittel besorgen«. Und als Schön die Unmöglichkeit vorstellte, wurd er abgerumpelt. Ein Attaché, mit dem Schön hinterher mehrmals über dasselbe Thema sprach, sagte beruhigend, »er möchte nur das Beste tun, es würden wohl etwas weniger als 100 000 Mann kommen«.
    Nachschrift . Soeben sehe ich den Duc de Bassano bei mir einpassieren, in einem sehr stattlichen Aufzuge. Er muß also wohl vor der Katastrophe abgereist sein.
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1813
    Der Rückzug aus Rußland
    Liebenberg, 5. Januar 13
    Daß das französische Hauptquartier in Gumbinnen war, haben die Zeitungen gesagt, und aus der Truppenverlegung ergibt sich, daß die Weichsel behauptet, also Ostpreußen im Falle der Not verlassen werden soll. Ich glaube nicht, daß die Russen etwas vornehmen können; sie haben viel gelitten und mußten eine Gegend durchziehen, die gänzlich verheert ist. Pariser Nachrichten besagen, daß der Kaiser auf die Aushebung von 200 000 Menschen und 60 000 Pferde dringt; außerdem sollen alle Truppen aus Spanien nach dem Norden gezogen werden. Das sieht nicht sonderlich aus. Ich zweifle nicht, daß alles versucht werden wird, um in einer zweiten Campagne den diesmal vereitelten Zweck zu erreichen. Was die nächsten Wochen angeht, so haben weder Schlesien noch die Mark etwas zu befürchten, solange die Weichsel gehalten wird; sollte diese jedoch verlorengehen, so wird es Zeit sein, sich vom Lande in die großen Städte zu begeben, obgleich seit Moskaus Brand auch in großen Städten nicht viel Sicherheit zu gewärtigen ist. Der vernünftigste Mensch kann in der Zukunft nichts Tröstliches erblicken; andererseits haben wir neuerdings Proben von dem , was die Vorsehung tun kann. Laß uns also nicht verzweifeln. Lange kann diese Periode des Elends nicht mehr dauern, denn wenn niemand mehr etwas haben wird, tritt alles ins Naturrecht zurück, und wehe dann denen , die sich nicht schnell davonmachen.  
L., 9. Januar 13
    Tackmann schreibt mir auch, daß das Macdonaldsche Corps durch Kapitulation in russischer Gewalt sei. Wenn Du etwas Gewisses hörst, so schreib es mir; ich will dann doch auf alle Fälle einige précautions gebrauchen, damit wir von der fliehenden Horde nicht noch vor der Ankunft der Kosaken ausgeplündert werden. Hier kommen viel bettelnde Franzosen und Deutsche durch. Ein Westfälinger, mit einer Hand, bat um ein Stück Brot in Gransee. Der hat dann erzählt, wie's im Norden zugegangen ist. Die Verwundeten gehen aus den Hospitälern, sobald sie nur irgend kriechen können, weil es, der ungeheuren Masse halber, an jeder Wartung und Verpflegung fehlt. – Der Herr von Köpernitz ist endlich aus Paris wiedergekommen; er hat den davongereisten Helden im Theater gesehn mit der wie gewöhnlich kalten und dreisten Physiognomie, als ob nichts geschehen wäre. Bewachen aber läßt er sich sorglicher denn je; die Kavallerievedetten, ebenso wie die Infanterieposten, haben alle scharf geladen, so daß seine Wohnung sozusagen im Belagerungszustand ist. Übrigens war die Stimmung in Paris sehr satirisch, und es fehlte nicht an Calembours über die »Reise

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