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Fünf Schlösser

Fünf Schlösser

Titel: Fünf Schlösser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ohne das «, setzt ihr Verfasser in guter Laune hinzu. Zu gleicher Zeit erzählt er ein paar Anekdoten, die mir sehr geeignet scheinen, ihn in seinen Vorzügen wie seinen Schwächen zu charakterisieren, weshalb ich dieselben hier wiedergebe.
    Eines Tages beim russischen Gesandten entstand ein erregter Streit, ob England oder Frankreich den größeren dramatischen Dichter hervorgebracht habe. Thiébault schwärmte für Racine, Elliot für Shakespeare. Thiébault operierte dabei viel mit »plus sublime«, worauf ihm Elliot erwiderte: »gerade das ›plus sublime‹ sei das, was er für Shakespeare beanspruche. Denn den Eindruck des Sublimen habe man immer nur da, wo sich der Gegensatz von hoch und niedrig, von Erhabenheit und Alltäglichkeit fühlbar mache, während überall da, wo sich ein gleichmäßiges Plateau zeige (wenn auch Hoch plateau), von einem Eindruck des Erhabenen nie die Rede sein könne. Und so käm es denn, daß die ›Niedrigkeiten‹ 2) , die seinem englischen Dichter mit Recht vorgeworfen würden, eigentlich nur dazu dienten, die Größe desselben um so deutlicher erkennen zu lassen.«
    Um ebendiese Zeit war es auch, daß Elliot einer Steinoperation halber nach Paris mußte. Man sah diese Reise, weil sich die französische Regierung kurz vorher zugunsten der amerikanischen Kolonien, will also sagen gegen England, entschieden hatte, ziemlich allgemein als ein Wagnis an, und auch die Königin äußerte sich in diesem Sinne. »Oh, Madame«, replizierte Elliot, »England und Frankreich sind seit lange zivilisierte Nationen.«
    Es ging dies von Mund zu Mund, und die fremdländischen Gesandten, die, wie gewöhnlich, wenig Zärtlichkeit für Preußen übrig hatten, freuten sich der nonchalanten, echt englischen Dreistigkeit, in der Elliot überhaupt exzellierte. Freilich bedingte dieselbe Dreistigkeit und Nonchalance zuletzt auch seinen Sturz, und zwar war es dieselbe Frage der »amerikanischen Kolonien«, was bald danach zu seiner Abberufung vom preußischen Hofe führte.
    »Seitens dieser Kolonien«, so berichtet Thiébault, »waren zwei Vertrauensmänner in Berlin eingetroffen, die mit Fug und Recht als amerikanische Geheimgesandte angesehen werden konnten. Es wurde selbstverständlich aus Courtoisie gegen England vermieden, sie als Gesandte zu begrüßen, aber im stillen wußte jeder, was sie nach Berlin und Sanssouci geführt hatte. Wenigstens Elliot wußt es. Er wollte jedoch positive Gewißheit haben und leitete deshalb ein ziemlich gefährliches Spiel ein, das er sich nur im Hinblick auf die hinter ihm stehende Macht Englands erlauben durfte. Voll Bonhomie zog er die beiden Amerikaner, als »Landsleute von älterem Datum«, in seinen intimeren Umgangskreis und überschüttete sie mit kleinen gesellschaftlichen Auszeichnungen. Eines Abends, nach vorher eingenommenem gemeinschaftlichen Diner, fuhr er mit ihnen in die Oper. Als sie jedoch zu später Stunde in ihre Wohnung zurückkehrten, fanden sie die Tür erbrochen und eine Kassette geraubt. Es zweifelte niemand, auf wessen Geheiß dies geschehen; aber Elliot ging weiter und ließ ihnen am anderen Tage, wenn auch ohne direkte Namensnennung, die Kassette wieder zustellen, aus der nichts herausgenommen war als die die beiden Abgesandten einigermaßen kompromittierenden Papiere. Jeder war neugierig, wie der Affront geahndet werden würde, doch blieb anscheinend alles ruhig, bis plötzlich, als man eben die Sache zu vergessen anfing, Elliots Abberufung erfolgte. Der König hatte bei der englischen Regierung, unter Darlegung des Sachverhalts, auf seine Zurückberufung gedrungen.
    In diesen Zügen spricht sich Elliots Charakter aus, und ohne seinem Rivalen Knyphausen, der ihn abwechselnd als »ruhmredig, leichtfertig und unkonsequent« und zum Schluß einfach als »fou und furieux« bezeichnet, in all und jedem zustimmen zu wollen, erscheint doch so viel richtig, daß er mit jener gefährlichen Lebhaftigkeit des Geistes ausgestattet war, die beständig geneigt ist, in Willkür und Rücksichtslosigkeit überzugehen. In der Tat, er war nervös, launenhaft, exzentrisch und entbehrte ganz und gar der Möglichkeit, einer jungen, in Oberflächlichkeit und Eitelkeit erzogenen Frau das zu geben, was ihr fehlte. Nur eins wird ihm zuzugestehen sein: er liebte sie wirklich, soweit er einer wirklichen Liebe fähig war, und hatte seine Wahl aus Sinn und Herz und nicht aus allerhand Rücksichten getroffen, am allerwenigsten aber aus Rücksichten auf ein Erbe, das nach

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