Fünf Schlösser
dem Kaffee wurde wie immer Karte gespielt.
12. September . Am Abend zunächst in die Assemblé beim Grafen Lamberg, wo ich mit Kraut und dem Prinzen von Nassau eine Partie machte. Von Lamberg aus (wo es sehr voll war) fuhr ich mit Kraut an den Hof. Die Königin war sehr verstimmt. Sie schalt über die großen Aufmerksamkeiten, welche man hier den gefangenen Ausländern erweise.
11. Oktober . Am Abend war ich bei der ›Belle Fée‹, die sehr böse auf Kraut war und ganz mit Recht, denn er hat in den Vorzimmern der Prinzessin aus Sparsamkeit Talglichter anstatt der Wachskerzen brennen wollen.
14. Oktober . Ich ging an den Hof und spielte Komet mit dem Prinzen von Preußen und der Belle Fée. Man erzählte, daß die Prinzessin Amalie zu Mittag bei der Prinzessin Heinrich angekommen sei und sich und ihr das Diner mitgebracht habe, um dem Hofmarschall Kraut einen Streich zu spielen, der zwei Speisen von dem bisherigen Küchenzettel der Prinzessin gestrichen hatte.
22. Februar 1761. Am Nachmittage hatten wir noch eine letzte Probe des Schäferspiels, und um sechs Uhr ging Kraut hinunter und bat die Prinzessin, die Treppe heraufzukommen. In dem Moment, als sie eintrat, ging auch schon der Vorhang auf, und der Chor fing an zu singen...«
Aus diesen wenigen Tagebuchstellen ergibt sich nicht bloß ein Zeit- und Lebensbild, sondern zugleich auch eine Charakteristik unseres Hofmarschalls. Und nicht zu seinen Ungunsten. Er hatte das Einsehen von einer gerade damals von allen Seiten her hereinbrechenden äußersten Gefahr und empfand sehr richtig, daß in Tagen, in denen der König schrieb: »Es gibt freilich Leute, die sich allen Schickungen unterwerfen, ich aber werd es nicht ; ich habe für andere gelebt, für mich will ich sterben«, ich sage, der Hofmarschall empfand sehr richtig, daß in solchen Tagen eine kleine Prinzessin allenfalls auch ohne Wachslichter im Vorzimmer und mit zwei Gerichten weniger auskommen konnte. 1)
Die vorgeschilderten Magdeburger Tage verlängerten sich bis in den Spätherbst 61. Erst im November oder Dezember obengenannten Jahres kehrte die Königin mit allem, was zum Hofe gehörte, nach Berlin zurück, allwo denn auch wenige Wochen später, und zwar am 24. Januar 1762, dem Hofmarschall von K. eine Tochter geboren wurde: Luise Charlotte Henriette von Kraut, unsere Krautentochter.
Über die folgenden fünf Jahre, soweit der Hofmarschall in Betracht kommt, schweigen alle Memoiren und Briefe. Das nächste, was wir von ihm erfahren, erfahren wir aus dem Löwenberger Kirchenbuche, woselbst es unterm 23. Dezember 1767 heißt: »Am heutigen Tage beschloß sein ruhmreiches Leben zu Berlin abends sieben Uhr der weiland hochwohlgeborene Herr, Herr Carl Friedrich Freiherr von Kraut, Hofmarschall im Hofstaate seiner Königlichen Majestät des Prinzen Heinrich und Vormund der beiden geisteskranken Herren von Bredow zu Löwenberg. Er war der Mutter-Bruder dieser beiden von Bredows, ein Herr der edelsten Gemütsart, der vielen Menschen in der Welt, zum Teil durch schwere Kosten, zu zeitlichen Ehrenstellen verholfen und ihr irdisch Glück befördert hat. Er zeigete sich gegen alle Mitmenschen als ein Menschenfreund und war allen, ohne jede Nebenabsicht des Eigennutzes, willfährig und gefällig. Hiervon zeugete insonderheit seine Fürsorge für die Kranken. Er pflegte zur Sommerzeit, wenn er sich auf seinen Gütern aufhielt, eine Menge von Medikamenten aus Berlin mitzubringen. Und wenn sich Kranke bei ihm meldeten und er ihren Zustand erkundet hatte, gab er ihnen die Medikamente, von woher die Kranken auch sein mochten. Am vierten Tage nach seinem Hinscheiden, am 27. Dezember abends, sind die erblaßten Gebeine des wohlseligen Herrn Hofmarschalls in dem Freiherrlich von Kraut schen Erbbegräbnis in der Nikolaikirche zu Berlin beigesetzt worden. Und nachdem dieser Todesfall auf die beweglichste Art der Gemeinde zu Löwenberg am 1. Januar 1768 zur Kenntnis gebracht worden ist, ist darüber zwei Wochen lang auf allen von Bredowschen Gütern geläutet worden. Er hinterläßt eine über seinen Tod betrübte Frau Witwe aus dem hochadligen von Platenschen Geschlecht und eine trotz ihrer frühen Jahre schon hoffnungsvolle Tochter.«
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Man ist in der Tat bei Lektüre dieser »Tagebuchblätter« immer wieder und wieder erstaunt über die von vergnüglichster Laune getragenen Formen, unter denen das damalige Hofleben verlief, als ob die Frage nach der Fortexistenz des Staats gar nicht existiert habe. So
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