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Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen

Titel: Fünf vor Zwölf - Und kein Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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Liebespaar der Zeit: Führer, befiehl, wir folgen dir …
    Und solche Menschen haben unser Leben in der Hand, können einen Mann, einen Kerl, einen Frontoffizier wie Georg aus dem Zuchthaus spurlos verschwinden lassen … Noch. Noch drei Wochen oder sechs, und wenn ich die überleben sollte, denkt der Funkoffizier grimmig, dann sprechen wir uns wieder, Fräulein Junghuhn und Herr Hühnerhabicht!
    »Es war mir von vornherein klar, daß die Überhitzerschlangen die Belastung nicht durchhalten würden«, sagt der Leitende Ingenieur.
    »Und warum nicht?«
    »Um das zu erklären, Herr Sturmbannführer, müßte ich ein paar Semester Maschinenbau bei Ihnen voraussetzen.«
    »Ich hab's jetzt satt«, erwidert Langenfritz. »Meine Herren, entweder läuft die ›Cap Arcona‹ spätestens morgen hier aus … fährt nach Gotenhafen zurück und holt Verwundete ab … oder ich kassiere die gesamte Besatzung wegen Feigheit vor dem Feind! Haben wir uns verstanden?«
    »Ich tue, was ich kann«, erwidert der Leitende Ingenieur abweisend.
    Bring doch auch noch die Turbinen vor das Kriegsgericht, denkt Christian Straff …
    »Heil Hitler!« sagt der Sturmbannführer schneidend, während die hochbeinige Uniformmaid die Kommandobrücke mit dem gleichen dummen Lächeln verläßt, mit dem sie den Raum betreten hat.
    »Mensch, Straff«, sagt Dr. Corbach, »können Sie den Mund nicht halten? Wollen Sie vor Torschluß noch von diesem Burschen …«
    Der SD-Mann ist kaum aus der Tür.
    »Ich hab's satt«, versetzt der Funkoffizier, »mir steht's bis hierher.«
    »Hauptsache, wir sind ihn los«, antwortet der Leitende Ingenieur. »Der hat seine Schau abgezogen, der kommt nicht wieder.«
    »Hoffentlich«, entgegnet der Schiffsarzt.
    Noch wissen sie nicht, daß der SS-Sturmbannführer Langenfritz einige Wochen später als Vorbote eines Schicksals ohne Beispiel an Bord der ›Cap Arcona‹ zurückkehren wird …
    Weder läuft die ›Cap Arcona‹ nach 24 Stunden aus der Neustädter Bucht wieder aus, noch wird ihre Besatzung wegen Sabotage verhaftet. Der Krieg hat Macht über die Menschen, aber nicht über die Maschinen. Die Männer der technischen Division schuften bis zum Umfallen an den Turbinen: nicht wegen der Drohung des Sturmbannführers Langenfritz, sondern weil sie wissen, um was es wirklich geht.
    10.000 verwundete Soldaten warten in Gotenhafen auf das Schiff, das noch einmal quer durch die Hölle soll. Die ›Cap Arcona‹ hat ihre vorläufig letzte Station erreicht: Zuerst war sie ein Luxusdampfer, dann eine Marine-Wohnschiff, dann ein Flüchtlingspott und nunmehr ein schwimmendes Lazarett, freilich ohne das Abzeichen des Roten Kreuzes. Erstens fehlt die Zeit, um es anzubringen, und zweitens weiß man gar nicht, ob sich die Russen daran halten.
    Die Havarie wird mit Bordmitteln beseitigt, während man gleichzeitig an den Rettungsbooten die Taljen wieder anbringt.
    Als vierter, letzter und ärmster Kommandant kommt Kapitän Bertram an Bord der ›Cap Arcona‹.
    Die letzten Flüchtlinge sind an Land gebracht, wobei wieder Szenen des Leids mit Ausbrüchen des Glücks hart aufeinanderprallten: Verlorene fanden sich wieder; Überlebende stellten endgültig fest, wen der Ansturm des Selbsterhaltungstriebs zertrampelt hatte.
    Wären diese zerlumpten Gestalten nicht, die hungrig auf einen Schlag Suppe aus der Feldküche warten, böte die kleine Stadt, die der Bucht den Namen gab, ein Bild paradoxen Friedens. Ab und zu freilich heulen die Alarmsirenen, erscheinen Feindflugzeuge am Himmel des gequälten Deutschland. Aber sie fliegen weiter, zerstören und morden anderswo.
    Gleich nach seinem Auftritt mit dem SD-Mann Langenfritz bewilligte sich Christian Straff seinen Landurlaub selbst. Er schaffte Marion Fährbach, die Frau seines Freundes Georg, und den kleinen Jürgen an Land, brachte sie bei Bekannten in der Nähe von Lübeck unter.
    Er fuhr in die Stadt zurück und deponierte bei einem Notar die Briefe seines toten Kapitäns mit der Maßgabe, daß sie erst nach dem Krieg an die Adressaten auszuhändigen seien. Er wußte, daß Langenfritz nur auf eine Gelegenheit wartete, ihn zu greifen. Der Mann war widerlich, aber nicht dumm, und so hatte er begriffen, daß zwischen dem letzten Gespräch und dem Selbstmord des Kapitäns Gerdts ein Zusammenhang bestehen mußte, und ließ sicher die Post überwachen, um die letzten Briefe Kapitän Gerdts abzufangen …
    Der Notar betrachtete Straff verwundert. Aber er war mit seltsamen Maßnahmen

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