Fünf Wochen im Ballon
den Aequator vor, und vom Mai des Jahres 1862 ab ging er in Gesellschaft Mackensie’s an dem Rovoonia-Flusse aufwärts. Das neunzehnte Jahrhundert würde gewiß nicht zu Ende gehen, ohne daß Afrika die in seinem Schooß seit sechstausend Jahren vergrabenen Geheimnisse enthüllt hätte.
Das Interesse der Zuhörer Fergusson’s wurde besonders geweckt, als er ihnen im Einzelnen von den Vorbereitungen zu seiner Reise erzählte; sie wollten die Probe seiner Berechnungen machen, und begannen eine Erörterung, in welche der Doctor sich ohne alle Umschweife einließ.
Im Allgemeinen staunte man über die verhältnißmäßig geringe Menge von Lebensmitteln, welche er mit sich führte, und eines Tages befragte Jemand den Doctor in Bezug hierauf.
»Das ist Ihnen erstaunlich? antwortete Fergusson. Aber wie lange glauben Sie denn, daß ich unterwegs sein werde? Doch nicht etwa Monate? Da irren Sie sehr; wenn meine Reise sich in die Länge ziehen sollte, würden wir verloren sein, und gar nicht an’s Ziel gelangen. So wissen Sie denn, daß von Zanzibar nach der Küste von Senegal nicht mehr als dreitausendfünfhundert, nehmen Sie an viertausend Meilen sind.
Wenn man nun in zwölf Stunden zweihundertundvierzig Meilen zurücklegt, was der Schnelligkeit unserer Eisenbahnen nicht nahe kommt, und wenn man Tag und Nacht reist, so würden sieben Tage genügen, um Afrika zu durchfahren.
– Aber dann könnten Sie nichts sehen, keine geographischen Aufnahmen machen, noch das Land gehörig kennen lernen.
– Ich werde mich deshalb auch, antwortete der Doctor, überall aufhalten, wo ich es für gut befinde, besonders auch dann, wenn zu heftige Luftströmungen mich fortzureißen drohen.
– Und das wird nicht ausbleiben, sagte Pennet; es wüthen bisweilen Orkane, welche über zweihundertundvierzig Meilen in der Stunde zurücklegen.
– Sie sehen, versetzte der Doctor, bei einer solchen Schnelligkeit könnte man Afrika in zwölf Stunden durchfahren. Man würde in Zanzibar aufstehen, um in Saint-Louis zu Bett zu gehen.
– Aber, äußerte ein Officier, könnte denn ein Ballon in solcher Schnelligkeit mit fortgerissen werden?
– Man hat das schon erlebt, erwiderte Fergusson.
– Und der Ballon hat Stand gehalten?
– Vollkommen. Zur Zeit der Krönung Napoleon’s im Jahre 1804 ließ der Luftschiffer Garnerin um elf Uhr Abends von Paris einen Ballon ab, der in goldenen Lettern die folgende Inschrift trug
: ›Paris
, 25
frimaire an XIII, couronnement de l’empereur Napoléon par S. S. Pie VII.
‹ 2 Am folgenden Morgen, um fünf Uhr, sahen die Einwohner von Rom denselben Ballon über dem Vatican schweben, die römische Campagna durchfliegen und sich in den See von Bracciano versenken. Dies der Beweis, meine Herren, daß ein Ballon gegen solche Schnelligkeit Stand halten kann.
– Ein Ballon, mag sein! – aber ein Mensch? wagte Kennedy einzuwerfen.
– Auch ein Mensch! Denn ein Ballon ist immer unbeweglich im Verhältniß zu der ihn umgebenden Luft: er selber geht nicht, sondern die Luftmasse; zündet z.B. ein Licht in einer Gondel an, und die Flamme wird nicht hin-und herflackern. Ein Luftschiffer auf dem Ballon Garnerin’s hätte von dieser Schnelligkeit keineswegs gelitten. Uebrigens liegt mir durchaus nicht daran, mit einer solchen Geschwindigkeit zu experimentiren, und wenn ich mein Luftschiff während der Nacht an einen Baum oder irgend eine Unebenheit des Bodens ketten kann, werde ich mir das nicht entgehen lassen. Wir führen indessen für zwei Monate Lebensmittel mit uns, und nichts wird unsern geschickten Jäger daran hindern, Wildpret im Ueberfluß zu erbeuten, wenn wir uns einmal auf der Erde niederlassen.
– Ah, Herr Kennedy, Sie werden Gelegenheit haben, Meisterschüsse zu thun, sagte ein junger Midshipman, den Schotten mit neidischen Augen betrachtend.
– Ganz abgesehen davon, fügte ein Anderer hinzu, daß Ihr Vergnügen mit großem Ruhm Hand in Hand gehen wird.
– Meine Herren, antwortete der Jäger …… ich weiß Ihre Complimente sehr wohl zu würdigen …… aber ich kann dieselben nicht annehmen …
– Wie? rief man von allen Seiten, Sie werden nicht mitreisen?
– Ich werde nicht reisen.
– Sie wollen den Doctor Fergusson nicht begleiten?
– Nicht nur das, sondern meine Anwesenheit hat keinen anderen Grund, als ihn im letzten Augenblick noch zurückzuhalten.«
Aller Blicke richteten sich auf den Doctor.
»Hören Sie nicht auf ihn, antwortete dieser mit ruhiger Miene. Das ist eine
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