Fünf
über den Weg, der eifrig mit einem Blatt Papier winkte.
«Ein paar Adressen hätte ich für euch, und auch die Probezeiten von vier Chören. Interessiert?»
«Sicher. Danke!» Sie überflog die Information. Ein Chor probte heute um 19 Uhr im Mozarteum. Das konnte sie schaffen, wenn sie erst die Kinder abholte, ihnen etwas kochte und dann Katrin bat, eine Stunde auf sie aufzupassen. Das Sparschwein der Nachbarstochter musste mittlerweile den Gegenwert eines Motorrollers beinhalten.
«Perfekt.» Florin nickte, als sie ihm ihren Plan unterbreitete. «Ich hole dich um Viertel vor sieben ab.»
Schulbuchrücken kleben, Waschmaschine anwerfen und Carbonara kochen. Schnell duschen. Kurz vor sieben Uhr saß Beatrice bereits wieder neben Florin auf dem Beifahrersitz und hoffte, nicht mehr nach Zwiebeln und Knoblauch zu riechen.
«Christoph Gorbach und Christoph Meyer. Blaue Augen und ein Muttermal.» Sie kreiste die beiden Namen auf der Liste ein. «Das abzuklären sollte nicht allzu lange dauern.»
«Nein», erwiderte Florin einsilbig.
Beatrice widerstand der Versuchung, ihn freundschaftlich anzustupsen – er konzentrierte sich schließlich aufs Fahren. «Du bist sauer wegen des Wochenendes, nicht? Weiß Anneke schon von dem neuen Fall?»
Florin hob die Schultern. «Ich überlege, ihr abzusagen. Hat doch keinen Sinn, dass sie den weiten Weg macht, wenn ich arbeiten muss.» Er bog in die Paris-Lodron-Straße ein.
«Wieso gleich absagen? Wir holen Stefan ins Team, der ist ohnehin ganz heiß auf den Fall und steckt auch schon halb mit drin.» Sie betrachtete Florins Profil. «Er und ich, wir sehen zu, dass wir den richtigen Christoph finden, dann …»
Florin bremste abrupt und parkte in einer gerade eben frei gewordenen Lücke am Straßenrand ein. «Hast du dir schon mal überlegt», sagte er, den Blick auf den Rückspiegel gerichtet, «dass diese ganze Rätselei ein Ablenkungsmanöver sein könnte? Das originelle Spielchen eines Täters, der uns loswerden möchte und uns deshalb auf die Suche nach Muttermalen schickt?»
Die Idee hatte Beatrice tatsächlich kurz gestreift, vorhin, unter der Dusche. Nicht ausgeschlossen, dass sie sich an der Nase herumführen ließen, während der Täter … oder die Täterin in aller Ruhe die Spuren verwischte.
«Wir werden sehen. Sollte es keinen Mann geben, der der Beschreibung des Owners entspricht, haben wir nichts weiter verloren als Zeit.»
«Nur dass wir sie an ihn verloren haben», wandte Florin ein.
Das Bild der Plastikbox drängte sich in Beatrices Bewusstsein. Die tote Hand.
«Wir haben doch gar keine andere Wahl, als auf dieses Spiel einzugehen, Florin. Mir gefällt das ebenso wenig wie dir.»
Er nahm sie am Arm, als sie die Straße überquerten. «Was mich am wütendsten macht», sagte er, «ist das Gefühl, dass er richtig Spaß bei der Sache hat.»
Pia mater, fons amoris
Männerstimmen, unisono. Ein langsames Fallen in die Untröstlichkeit.
Beatrice blieb vor der Tür zum Proberaum stehen, hob die Hand zur Klinke, brachte es dann aber nicht über sich, sie hinunterzudrücken. Ausgerechnet dieses Stück.
Pia mater, fons amoris
Me sentire vim doloris
Die Frauenstimmen hatten eingesetzt, schwebend und hoffnungsvoll.
Fac, ut tecum lugeam.
Fac, ut ardeat cor meum
In amando Christum Deum,
ut sibi complaceam.
Beatrice hatte es seit damals nicht mehr gehört, doch jeder Ton war ihr vertraut, jedes Detail hatte sich eingebrannt. Der Geruch nach Weihrauch und Blumen und Trauer, vor allem aber der bitter metallische Geschmack auf ihrer Zunge, der monatelang bleiben würde. Schuld war etwas, das man langsam auskosten musste.
«Schön», flüsterte Florin an ihrer Seite. «Kenne ich gar nicht. Ist das … Puccini?»
«Nein. Joseph Rheinberger, das
Stabat Mater
.» Sie schluckte, bemerkte, dass die Musik etwas in ihr aufzuweichen begann, das unter allen Umständen hart zu bleiben hatte.
«Bin beeindruckt. Woher kennst du es?»
«Wird gern auf Begräbnissen gesungen.» Brüsk drückte sie die Klinke hinunter. «Also dann. Spielchen. Wir sind am Zug.»
Während Florin die beiden Christophs aus dem Proberaum bat und ihnen ihr Anliegen vorbrachte, geleitete Beatrice den unwillkommenen Besuch aus der Vergangenheit in die Hinterkammer ihres Bewusstseins zurück, an den Platz, wo er sich üblicherweise aufhielt, und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe.
Es war schnell klar, dass der erste Schuss kein Treffer war. Christoph Gorbach war noch keine
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