Fünf
auf ihrer Jacke, der Bluse und den Hosen, geringe Spuren auch auf den Händen.»
Das Bild, das Beatrice sich von Nora Papenbergs letzten Stunden gemacht hatte, bekam Risse. Einsam, verängstigt, irgendwo im Dunkeln festgehalten – so war es offenbar nicht gewesen. Sie hatte fremdes Blut an sich, das Blut eines Toten. «Gibt es Kratzspuren, Haut unter den Nägeln?»
Florin schüttelte den Kopf. «Nichts dergleichen. Abschürfungen natürlich schon, aber die stammen wohl vom Sturz über die Felsen.» Er rieb sich mit beiden Händen übers Gesicht. «Du denkst an einen Kampf, nicht wahr? Der Mann greift Nora Papenberg an, sie verteidigt sich, er blutet – aber was dann? Sie tötet und zerstückelt ihn? Versteckt seine Hand in einer Plastikbox? Und begeht danach Selbstmord? Kommt mir unwahrscheinlich vor.»
Doch die Nachricht, die sie bei der Hand gefunden hatte, war von einer Frau geschrieben worden, das hätte Beatrice beschwören können. «Wir sollten den Ehemann auf jeden Fall um eine Schriftprobe von Nora Papenberg bitten», murmelte sie und nahm sich das ausgedruckte Foto von dem handgeschriebenen Zettel vor. Eine runde Schrift. Ein wenig mädchenhaft sogar. So schrieb kein Mann. An einigen Stellen sah man, dass die Hand der Schreiberin gezittert haben musste.
Beatrice fuhr die Buchstaben mit dem Finger nach.
Mögen es fünf Jahre sein oder sechs
.
Warum waren die Angaben so vage? Wollte der Owner es ihnen extra schwermachen, damit mehr Zeit verstrich, bis sie die nächsten Koordinaten fanden?
Der Owner. Oder eine Ownerin. Die vielleicht schon tot war und ihnen ein besonders originelles Vermächtnis hinterlassen hatte.
Beatrice beugte sich über das Foto und stützte die Stirn auf beide Hände.
Zeit für ein Gedankenspiel
.
Angenommen, Nora Papenberg hatte den Mann, dessen Hand sie gefunden hatten, tatsächlich umgebracht. Ihn dann verstümmelt, die Nachricht geschrieben, den Cache versteckt. Hatte das Opfer ihr zuvor die Tätowierung beigebracht? Dann gab es möglicherweise Spuren ihres Blutes auf der abgesägten Hand. Beatrice machte sich eine entsprechende Notiz.
Neues Gedankenspiel
. Angenommen, der Tote hatte sie nicht tätowiert – konnte Nora das selbst erledigt haben? Hier protestierte Beatrices Logikempfinden. Warum sollte jemand sich ausgerechnet eine so empfindliche Stelle wie die Sohlen tätowieren?
Selbstbestrafung war eine Möglichkeit. Buße tun, zum Beispiel für die Tötung und Zerstückelung des Mannes. Und dann … hatte Papenberg sich die Hände mit Kabelbinder auf den Rücken gefesselt und war die Felswand hinuntergesprungen.
Grober Unsinn
.
«Sag mal, ist es theoretisch möglich, sich selbst mit Kabelbindern zu fesseln?»
Florin blickte von seinen Notizen hoch. «Natürlich. Vorne rum, man muss nur die Zähne zu Hilfe nehmen. Aber hinter dem Rücken – das stelle ich mir schwierig vor. Eigentlich unmöglich. Außer man ist gelenkig genug, durch die eigenen gefesselten Hände zu steigen, wenn du verstehst, was ich meine. Oder … man hätte einen Schraubstock, um das eine Ende des Kabelbinders einzuklemmen, dann könnte man die Schlinge mit den Händen darin festziehen.» Er runzelte die Stirn. «Allerdings bekommt man das festgeklemmte Ende dann nicht mehr frei.» Er schob seine Notizen zur Seite. «Überlegst du gerade, ob Nora Papenberg alles im Alleingang inszeniert hat, inklusive ihres eigenen Todes?»
«Ich will nur sicher sein, dass wir es ausschließen können. Im Moment gibt sie eine brauchbare Täterin ab: das Blut eines Mordopfers auf ihrer Kleidung und eventuell ihre Schrift auf der Nachricht in der Cache-Box.»
«Was wir überprüfen müssen.» Gedankenverloren drehte er seinen Bleistift zwischen den Fingern. «Bisher ist Papenberg völlig unbescholten, kaum mal ein Strafzettel wegen Falschparken. Wenn sie den Mann wirklich getötet hat, dann wahrscheinlich im Affekt. Oder in Notwehr.»
«Sehr voreilige Schlüsse, Herr Kollege. Okay, wenn wir schon ein Szenario bauen wollen, dann lass uns bei den Fakten bleiben: Der Unbekannte, dessen Hand sie versteckt hat, ist vor Nora gestorben, sind wir uns einig? Gut. Aller Logik zufolge mischt aber noch ein Dritter mit.» Sie fischte mit spitzen Fingern ein paar Lackkrümel von ihrer Zunge, die beim Bleistiftkauen abgegangen waren. «Nora bekam doch einen Anruf während des Agenturessens. Möglicherweise ein Liebhaber? Sie täuscht Kopfschmerzen vor, bricht überstürzt auf, trifft den Mann. Aber sie werden ertappt,
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