Fuer den Rest des Lebens
Kindheit, an die sie sich verschwommen erinnert, Geschichten von Prinzen und Prinzessinnen, die durch sinnlose Aufgaben voneinander getrennt sind, Kämpfe mit Drachen und Ungeheuern, mit Naturgewalten und Prüfungen, die sie bestehen müssen, um in ihr Königreich zurückzukehren oder um ihre Bestimmung zu erfüllen.
Hier in Israel werden sie in ihrem Alter kein kleines Kind bekommen, und im Ausland gibt es immer weniger Länder, die bereit sind, ihre Kinder in Kampfgebiete zu vermitteln, und unzählige Behörden erschweren die Prozedur, zum Wohl der Kinder, wie es heißt, sie muss sich beeilen, denn die Hürden werden immer größer, doch wie kann sie sich beeilen, wenn sie gelähmt von äußeren und inneren Schwierigkeiten ist und nichts tun kann, und wieder versenkt sie sich in die offenherzig und freimütig erzählten Geschichten, da ist auch diese Frau, die sich Tautropfen nennt und von der Angst ihres Mannes erzählt, der sich einer Adoption widersetzt hatte, und wie glücklich er jetzt mit dem Mädchen ist, und wie glücklich sie alle zusammen sind, und eine andere, die sich Amazone nennt, erzählt, dass sie die ganze Prozedur allein durchstehen musste und den Jungen auch allein erzieht, und Dina empfindet dieser Frau gegenüber Neid, wie einfach wäre es, wenn sie jetzt keinen Partner hätte, dann könnte sie schon ein Treffen verabreden, sie könnte sich ein Bild machen und einen guten Eindruck hinterlassen, sie könnte alles erklären und sich selbst klar werden, und vor allem könnte sie hoffen, denn sie meint, ohne diese Hoffnung sei ihr Leben kein Leben mehr.
Du bist nicht normal, Dina, du bist in der letzten Zeit völlig durcheinander, schimpft Naomi, als sie nach der Arbeit in einem Cafe in der Nähe des College sitzen, ein Kind adoptieren? Ich kann nicht glauben, dass du das wirklich willst! Weißt du, wie schwer das ist? Solch ein Kind hat schon viel hinter sich, verhaltensgestört wird es sein, Bindungsschwierigkeiten wird es haben, es wird nie wie ein eigenes Kind sein. Freunde von mir haben vor ein paar Jahren ein dreijähriges Mädchen adoptiert, du hast keine Ahnung, was sie durchmachen, die Ärmsten, und ihr würdet ein noch älteres Kind bekommen, wegen Gideons Alter, und will Gideon überhaupt?
Nicht so ganz, bekennt sie, ehrlich gesagt, überhaupt nicht, einstweilen geht es nur mich etwas an, außerdem denke ich an eine Adoption im Ausland, dort kann man ein etwa zweijähriges Kind bekommen, und Naomi stellt überrascht die Tasse auf den Tisch, im Ausland? Weißt du, wie teuer das ist? Wo willst du das Geld hernehmen? Und wie kannst du wissen, dass man dich nicht reinlegt? All diese Organisationen sind korrupt, man wird dir ein krankes Kind geben, von dessen genetischer Herkunft du nichts weißt. Willst du den Rest deines Lebens in Krankenhäusern verbringen? Das hältst du nicht durch, Dina, glaub mir das, das bedeutet, sich mutwillig einer Gefahr aussetzen.
Mir kommt es nicht besonders gefährlich vor, sagt sie lachend und bittet die Kellnerin um ein weiteres Glas Wasser, denn schon wieder wächst die Flamme in ihrem Inneren, sie schwitzt, hast du noch gar keine Hitzewallungen? Ich fühle mich wie ein feuerspeiender Drache, und Naomi lächelt selbstzufrieden, nein, noch nicht, ich glaube, bei mir verzögert sich alles, weil ich Ro’i so spät bekommen habe, und Dina seufzt, wie dumm ich doch war, warum habe ich nicht rechtzeitig gemerkt, dass ich noch ein Kind bekommen sollte, ich kapiere es einfach nicht, was hätte ich denn Besseres tun können?
Hör auf, Dini, denk nicht mehr daran, das ist vorbei und nicht mehr zu ändern, und Naomi macht eine Handbewegung, als müsse sie eine Fliege verscheuchen, die Frage ist, was du jetzt tust, was ist mit einer Eizellenspende? Das ist viel einfacher, als ein Kind zu adoptieren, und auch billiger, viele Frauen machen das, da weiß man wenigstens, wer der Vater ist, aber Dina schüttelt den Kopf, das passt nicht zu mir, sagt sie, für mich geht es darum, ein Kind aufzuziehen, das schon geboren ist und ein Zuhause braucht.
Das sind doch alles Hirngespinste, beharrt Naomi, die romantisch verklärte Vorstellung von einem blonden, süßen Baby, das glücklich ist, weil du es gerettet hast, aber in Wahrheit wirst du ein schwieriges und problematisches Kind aufziehen, das die ganze Zeit deine Grenzen austestet, das dir das Leben schwer macht und immer anders sein wird, es wird nicht dazugehören, und das nur im besten Fall, nämlich wenn es
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