Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fuer den Rest des Lebens

Fuer den Rest des Lebens

Titel: Fuer den Rest des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zeruya Shalev
Vom Netzwerk:
besorgte Nachrichten geschickt, aber wie kann er sie hier im Bett zurücklassen, tief schlafend, wenn ihre Wohnung offen bleibt und jeder in den Garten, der nur von einem schmalen Bambuszaun umgeben ist, eindringen kann und von dort in die unverschlossene Wohnung und zu ihrem Bett, er überlegt, was er tun soll, er könnte sie von draußen einschließen, dann wäre sie zwar sicher, aber wie könnte sie dann die Wohnung verlassen, falls sie keinen Zweitschlüssel hat, die Fenster sind vergittert und mit Fliegenschutz bespannt, beide Möglichkeiten sind, wägt man sie gegeneinander ab, gleich schlecht, die eine bedeutet ein Zuviel an Freiheit und die andere ein Zuwenig.
    Er würde natürlich gern hierbleiben und auf ihrem Sofa schlafen, aber er hat Angst, dass sie aufwacht und erschrickt oder dass sie seine Anwesenheit falsch interpretiert, also geht er hinaus in den Garten, das scheint ihm die einzige Möglichkeit zu sein, um ihr zur Verfügung zu stehen, er wird sie von draußen beschützen, als wäre er der Wachhund dieses Hauses, ein Casanova mit einem seltsamen Lächeln, und so hat er sie auch beschnuppert, begierig und verzweifelt und mit Wenigem zufrieden, er sucht sich einen Lagerplatz, der Garten ist noch nicht fertig angelegt, es gibt nicht einmal ein Stück Rasen, auf dem er sich ausstrecken könnte, und weder eine Bank noch eine Hängematte, aber er ist so müde, dass er sich auf der Schwelle ausstreckt und den Kopf auf die Fußmatte legt. »Herzlich willkommen« steht auf der Matte, mit grünen Druckbuchstaben, die ihn daran erinnern, dass er eine Nachricht an seine Frau schicken muss, mach dir keine Sorgen, ich komme morgen früh, auf Wiedersehen. Sein Lagerplatz ist noch armseliger als der seiner Mandanten, die in Zelten schlafen, ohne Decke und ohne Dach, ein Hund ohne Hütte, und trotzdem ist er ruhig, und beim Einschlafen meint er von der anderen Seite des Baumbuszauns die Schritte Schlomits zu hören, die Jotam in den Kindergarten bringt, wo ist Papa, hört er die helle, wohlklingende Stimme, wo ist mein Papa?

Neuntes Kapitel
     
    Von weitem sieht sie ihre Schwägerin, mit schweren Schritten schiebt sie einen Kinderwagen vor sich her, ein dunkles Zeltkleid bedeckt ihren Körper, sie ignoriert Schlomit, wird von einer kühlen Seitengasse verschluckt, in die die Sonne noch nicht gedrungen ist, dort bleibt sie an einem Bambuszaun stehen, stellt ihre Einkaufstaschen ab und atmet tief ein und aus, als sei sie einer Gefahr entronnen. Warum fühlt sie sich durch eine Frau so bedroht, die sie kennt, seit sie beide Kinder waren, ist es vielleicht gerade deshalb, weil Schlomit ihr zeigt, dass sich alles verändert? Wenn das aus dem schüchternen, feingliedrigen jungen Mädchen werden konnte, dieses Mädchen, das damals zart den Arm ihres Bruders streichelte und ihn bewundernd anschaute, dann ist jede Veränderung möglich, auch die Veränderungen, die mit Nizan und mit ihr passiert sind, wenn das also möglich ist, dann geschieht die Reinkarnation des Menschen im Leben und nicht nach dem Tod. Schlomits Körper ist vierschrötig, ihr Gesicht grob und ihre Stimme heiser, sie begegnet ihrer Schwägerin mit unterkühlter Freundlichkeit, als ob sie schuld daran wäre, dass Avner sie vernachlässigt, und sogar der wunderbare kleine Junge, den sie geboren hat, ändert nichts an ihrem Unmut, es ist, als isoliere sie ihn, so wie sie es mit Avner versucht und fast geschafft hat. Von ihr, Dina, hat er sich längst entfernt, aber auch an Schlomit hängt er nicht, und vielleicht hat sein Verhalten nur damit zu tun, dass sie nie wie Bruder und Schwester waren.
    Sie waren die Kinder derselben Eltern, doch im Kibbuz bedeutete das nichts, sie wuchsen mit ihren Altersgenossen heran, nicht mit ihren Familienmitgliedern, und erst als sie den Kibbuz verließen, hatten sie die Chance, Geschwister zu sein, als sie zum ersten Mal gemeinsam in einer Wohnung lebten, in zwei nebeneinanderliegenden Zimmern. Sie hatte sich für das kleinere entschieden, wegen der Aussicht auf die Landschaft, er hatte das größere genommen, das auf den Parkplatz hinausging. Wie zwei Emigranten bot sich ihnen die Möglichkeit, sich aneinander festzuhalten, und sie erinnert sich plötzlich daran, wie sie, die Nachtwanderer, eine Schwäche ihrer Familie, sich nachts in der Küche trafen, wie sie in einem kleinen Topf Milch für sie beide kochte, wie sie ihm mitten in der Nacht ihr Herz ausschüttete, diesem schönen, etwas verschrobenen Jungen, der die

Weitere Kostenlose Bücher