Fuer den Rest des Lebens
er so tat, als wäre er von der wissenschaftlichen Fakultät. Wie lächerlich er doch ist, er wird noch wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen ins Gefängnis kommen, aber das ist nicht wichtig, denn nun, da er sich seine Identität zurückgegeben hat, wie ein Mann, der nackt durch die Straßen gelaufen ist und endlich seine Kleider gefunden und sich angezogen hat, oder im Gegenteil, wie jemand, der Sachen angehabt hat, die ihm nicht gehörten, und sich jetzt nackt ausgezogen hat, so oder so hat er die Freiheit der Anonymität verloren und dafür die Anerkennung gefunden, die ihm Sicherheit verleiht. Er ist nicht mehr ein Unbekannter, der Informationsfetzen aufgegabelt hat, sondern ein bekannter Rechtsanwalt, der für die Schwachen kämpft, als dieser schaut er die Frau gegenüber an, mit dem erloschenen Blick und den violetten Zähnen und dem leicht schwankenden Kopf, und er steht auf und hält ihr beide Hände hin, komm, Talia, sagt er, du musst jetzt schlafen.
Zu seiner Überraschung gehorcht sie sofort, sie hält sich an ihm fest und steht auf, und er führt sie wie ein verschlafenes kleines Kind in das benachbarte Zimmer, dessen Tür geschlossen ist, und dabei denkt er, dass sie selbst vermutlich nie ein Kind auf die Welt gebracht hat, und jetzt hat sie den Zeitpunkt schon verpasst, er legt sie auf das breite Bett, knöpft sanft ihre Bluse auf und streift ihr die Hose ab, der Körper, der sich ihm zeigt, ist dünn und glatt und ohne jedes Zeichen einer Schwangerschaft, ihr Bauch ist straff, als habe sich nie ein lebendiges Geschöpf darin befunden, und ihre Brüste sind klein und fest, als hätten sie sich nie mit Milch gefüllt, sie lässt sich von ihm ausziehen, streckt gehorsam die Arme und Beine aus und krümmt den Rücken, und während er ihre Kleider entfernt, wundert er sich über sie und sofort auch über sich selbst, denn wenn es zu ihrem Bewusstsein durchdringen und sie sehen würde, wie er sich über sie beugt, würde sie so laut schreien, dass man ihn wirklich verhaften würde, er nutzt die Trauer und die Trunkenheit einer fremden Frau aus, um ihren Körper zu betrachten, wie der letzte Spanner, aber nicht der Anblick ist das Wichtigste, sondern ihr Duft, denn nun kauert er auf dem Teppich vor ihrem Bett und schnuppert an ihrem Körper, nicht an ihren Schenkeln, die von einer weißen Spitzenunterhose bedeckt sind, sondern an ihrem Hals und an ihren Armen und an ihren Füßen, bis sie einen Seufzer hören lässt und die Augen aufmacht, und er steht sofort auf und legt mit einer väterlichen Bewegung die Decke über sie. Schlaf, Talia, flüstert er, ich bringe dir ein Glas Wasser, aber als er zurückkommt, ist sie bereits eingeschlafen, er stellt das Glas auf den Nachttisch und verlässt das Zimmer, sein Körper schwankt und ihr Duft ist in seiner Nase, ein Duft nach saueren Trauben, ein Duft nach Trauer und Versäumnis, der Duft einer Frau, die einem Mann gehört, der nicht ihrer ist, ist nach dreißig Tagen noch eine Spur seines Geruchs an ihr, vom Geruch seiner Liebe, seiner Krankheit und seines Todes? Obwohl sein Herz heftig klopft und sein Kopf schwer hin und her schwankt, geht er noch nicht weg, sondern räumt den Käse in den Kühlschrank, die Trauben, und schaut sich um, was sie noch hat, was sie isst, aber der Kühlschrank ist leer, sie hat alles auf den Tisch gebracht, was da war, noch nicht einmal Milch steht da, als handle es sich um eine Wohnung, in der man nicht lebt, sondern nur Gäste empfängt.
Leise trägt er das Geschirr ins Spülbecken und dann kann er sich nicht beherrschen, er spült es ab, stellt es in die Ablage zum Trocknen, betrachtet erstaunt die neuen Holzschränke und die noch glänzenden Küchengeräte, und als er am Spülbecken steht, fällt ihm eine weitere Tür auf, gegenüber der Schlafzimmertür, er macht ein paar Schritte und knipst das Licht in einem Arbeitszimmer an, es geht zum Garten und war offensichtlich für beide bestimmt, denn an einem riesigen Schreibtisch stehen zwei Stühle, er sieht zwei Computer und Regale mit vielen Büchern, und ausgerechnet hier, in diesem asketischen Zimmer, merkt er, dass er eine Grenze überschritten hat, und er schleicht auf Zehenspitzen zur Wohnungstür, es ist Zeit zu gehen, sagt er sich, höchste Zeit, aber als er den Schlüssel sieht, der im Schloss steckt, fragt er sich, wie er weggehen kann, wenn seine Gastgeberin nicht in der Lage ist, hinter ihm abzuschließen.
Er muss nach Hause gehen, seine Frau hat ihm bereits zwei
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