Fuer den Rest des Lebens
seinen eigenen Augen, aufgehört, Teil eines Paares zu sein.
Schon immer hat er Hochzeitsbaldachine geliebt, und auch jetzt erfüllt ihn eine kindliche Vorfreude, er wird die Chuppa nicht verpassen, wie zart und rein sind die Augenblicke davor, während ihm das Hochzeitsessen danach immer irgendwie unrein und grob vorkommt. Man müsste die Zeremonie direkt nach der Chuppa beenden, man müsste dem Brautpaar alles Gute wünschen und verschwinden, denkt er, denn es ist sinnlos, so etwas zu seiner Frau zu sagen, auch über dieses Thema haben sie schon oft gestritten. Es beweist nur, wie unrealistisch du bist, hat sie gesagt, das ist dein Problem, du bist ein Romantiker, du erwartest, dass das ganze Leben so strahlend und herausgeputzt ist wie der Hochzeitsbaldachin, und alles, was weniger ist, enttäuscht dich. Nun geht er beschämt über den Rasen, er hört, wie sie ihn in Gedanken beschimpft, auch wenn sie schweigt, und vielleicht hat sie ja recht, vielleicht sind seine hohen Erwartungen schuld daran, dass er ständig unzufrieden ist, eine zerstörerische Mischung von Schuld und Unbehagen, doch vorläufig genießt er den Anblick der grünen Hänge der Jerusalemer Berge, auf dem Rasen verstreut liegen weiße Kissen, überall stehen niedrige Tische aus Korbgeflecht und im Hintergrund erklingt sephardische Musik, der Himmel ist weich und in der Ferne sind weiße Wölkchen zu sehen, er überlegt, dass er schon lange nicht mehr einen solchen Gleichklang zwischen Himmel und Erde gesehen hat, das muss ein gutes Vorzeichen für das Glück des jungen Paares sein, und er sucht mit den Augen nach der Braut, um es ihr mitzuteilen, vielleicht wird dieses Vorzeichen ihr etwas von ihren Ängsten nehmen, auch wenn er nicht weiß, ob sie diese Ängste noch immer hat. Seit jenem Abend hat sie ihn nicht mehr in ihre Angelegenheiten einbezogen, er hat das Gefühl, als trage sie ihm seinen übereilten Ratschlag nach, der schließlich nur aus seinen eigenen Erfahrungen stammte und nichts mit ihr oder ihrem Partner zu tun hatte, sie wich ihm aus, als wäre er die Verkörperung des Zweifels, und er hatte zwar nach einer Möglichkeit gesucht, seine Worte zu relativieren, hatte sich aber, weil der Arbeitsdruck zu groß war, anderen Angelegenheiten zugewandt, und so war jener Abend in Vergessenheit geraten, jener Abend, an dem sie beide Kleiderhaufen durchgewühlt hatten, als könnten sie so das Rätsel lösen, und er hofft, dass sie kein solches Zeichen mehr braucht, weil sie auch ohne ihn heil und ganz ist und ihr Herz so voller Freude und Liebe, wie seines nie war, sogar an seinem Hochzeitstag nicht, und als er zwei Gläser Wein von einem Tablett nimmt und eines seiner Frau reicht, denkt er an eine andere, die jetzt mit einem Glas Rotwein in ihrem kleinen Garten sitzt und deren Zähne sich schon violett färben, und er sehnt sich danach, neben ihr zu sitzen, vom brausenden Leben durch einen Bambuszaun abgetrennt, denn obwohl er alles von ihr will, will sie nichts von ihm, er muss sich damit begnügen, neben ihr zu sitzen.
Schweigend nimmt Schlomit ihm das Glas aus der Hand, aber ihr Schweigen bedrückt ihn nicht mehr, ihr Schweigen ist angenehm, wenn es nichts mehr zu sagen gibt, und er betrachtet sie, wie sie da steht, das Glas in der Hand, ein bisschen lächerlich in ihrem eng anliegenden Abendkleid mit den durchsichtigen Chiffonärmeln, ihre Bemühungen, sich zurechtzumachen, sind nicht sehr erfolgreich, ihr Lippenstift ist grob über den Rand hinaus gezogen, ihr Eyeliner hat um das eine Auge einen breiten Streifen hinterlassen, um das andere einen dünnen, ihre geröteten Füße stecken in hochhackigen Schuhen. Sie sieht aus wie eine Landpomeranze, die in der großen Stadt hängen geblieben ist, aber das hätte ihn alles nicht gestört, wenn sie ihm zur Seite gestanden hätte und nicht gegen ihn, und vielleicht ist es ja seine Schuld, er hat sich immer eine beeindruckendere Partnerin gewünscht als sie, schon damals, als sie zusammen unter dem Hochzeitsbaldachin standen, war er enttäuscht und frustriert gewesen, das muss sie natürlich auch gespürt haben, vielleicht nur unbewusst und obwohl er es dementiert hat, und deshalb hat er sich bei ihr zu entschuldigen. Auch für sie wäre es besser gewesen, ihn nicht zu heiraten, aber sie war es, die ihn zur Hochzeit gedrängt und mit Trennung gedroht hatte, und er hatte nicht gewagt, sie zu verlieren, und gehofft, es würde sich alles zum Guten wenden, denn er hatte gerade seinen Vater
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