Fuer den Rest des Lebens
die ihn vor den Augen seiner Kinder verspottet, deren Energie nur darauf gerichtet ist, ihm zu beweisen, dass er weniger wert ist als sie, die ihn und das, was er erreicht hat, erniedrigt und sein Versagen aufbauscht, und wenn er sich in jenen Nächten, in denen sie neben ihm schläft, dazu zwingt, an ihre schönen Stunden zu denken, findet er nur mit Mühe einige Minuten in den letzten Jahren, vielleicht während ihres Mutterschaftsurlaubs, wenn sie mit dem neuen Baby im Wagen zum Cafe Schechar kam, um ihn dort zu treffen, aber wie zerbrechlich war das, eine Sekunde der Gedankenlosigkeit seinerseits reichte, und sie schloss sich in ihrer Bitterkeit ein, und ehrlich gesagt, es brauchte auch ihrerseits nicht viel, damit er wieder vor ihr zurückwich, es reichte eine grobe Bewegung, damit er sich seinerseits wieder verschloss, und nun, da er sich mehr und mehr mit dem Tod beschäftigt, wird ihm immer klarer, dass er so nicht sterben will. Der Alltag war schon fast unerträglich, aber zum Sterben braucht er eine andere Frau an seiner Seite, eine zartere und sensiblere, die, selbst wenn sie ihn nicht liebt, bereit ist, seine Liebe anzunehmen, und wenn sie sie nicht annehmen möchte, kann sie ihm die Liebe doch nicht wegnehmen, denn manchmal sieht er sie dort, sie sitzt auf dem Richterstuhl und er nähert sich ihr und fleht, Talia, lass zu, dass ich das für dich tue, was der Verstorbene nicht tun konnte, lass zu, dass ich für dich meine Frau und meine Söhne verlasse, lass zu, dass ich dich aus deiner Einsamkeit errette, und vielleicht werde ich dadurch selbst gerettet, lass zu, dass ich dich für ein Unrecht entschädige, das ich nicht verursacht habe, lass zu, dass ich lieben lerne, denn ihm wird immer klarer, dass die Liebe nicht vom Objekt der Liebe abhängt, ausgerechnet bei ihr versteht er es, in ihrer gepflegten Wohnung, in der er sie im letzten Monat fast jeden Tag unter den verschiedensten und seltsamsten Vorwänden besucht haben wird, und immer wird er sie dort allein antreffen, entweder pflanzt sie Blumen in ihrem kleinen Garten oder sitzt mit einem Buch im Sessel oder ist versunken in eine Arbeit am Computer, und immer wird sie ihm ihr zurückhaltendes Lächeln schenken und immer wird er spüren, wie sich die Leere in seinem Herzen mit ihrem Herzen füllt, das schwer ist von Liebe, und er wird verstehen, dass so, wie ihre Liebe zu dem Verstorbenen noch immer existiert, auch seine Liebe zu ihr existieren kann, selbst wenn sie nicht erwidert wird, dann ist es, als würde er eine Tote lieben.
Wieder sitzt er vor ihr und erzählt ihr, was er tut, er erzählt von seinem Besuch in der Beduinenschule, in der Mittagshitze, kaum zu glauben, wie sie sich dort zusammendrängen, sagt er, sie wollen so gern lernen, vielleicht kommst du einmal mit, schlägt er vor, und sie zeigt sich interessiert, spricht wenig, seit sie in die Wohnung ihrer Eltern gezogen ist, beschäftigt sie sich mit ihnen, Bilder aus ihrer Kindheit tauchen lebendig vor ihr auf, manchmal lässt sie ihn verlegen daran teilhaben, und besonders häufig geht es um den Verstorbenen, und wenn sie auf ihre verhaltene Art von ihm spricht, hat Avner das Gefühl, ihn zu lieben, und er fragt sich, ob das das Einzige ist, was sie miteinander verbindet, aber die meiste Zeit versucht er nicht, etwas herauszufinden, sondern gibt sich ganz dem Vergnügen hin, das er in ihrer Gegenwart empfindet, ein Vergnügen, das er sonst nur kennt, wenn er mit sich allein ist, und dann auch nur in ganz seltenen Momenten, und wenn er weggeht, küsst er sie zum Abschied auf die zarten Wangen, so sanft wie ein herabfallendes Blatt, und sagt nicht, wann er wiederkommt, und sie fragt auch nicht, sie lächelt, wenn er kommt, und sie lächelt, wenn er geht, und er weiß nicht, ob eines der beiden Lächeln ihn mehr erfreut als das andere, und manchmal hat er das Gefühl, dass ihre Glätte ihm zum ersten Mal in seinem Leben so etwas wie Ruhe ermöglicht, denn nicht er ist verantwortlich für ihren Schmerz und nicht ihm gilt ihre Sehnsucht, es gibt nichts, was er ihr anbieten kann, nur sich selbst und seine Liebe, aber vielleicht wird sich das eines Tages bessern und sie wird sich dem zuwenden können, der sie begehrt, denn je hilfloser er sich fühlt, umso stärker begehrt er sie, es ist ein Begehren, wie er es noch nie empfunden hat, höchstens in seiner jugendlichen Phantasie, eine tröstliche männliche Kraft gegenüber dieser trauernden Frau, die nichts von ihm verlangt.
Doch manchmal
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