Für ein Ende der Ewigkeit (Lilith-Saga) (German Edition)
Johannes.
Diesmal hielt uns niemand auf, als wir durch die Stahltür gingen.
16
Vor dem Betonraum empfing uns ein dunkles, mittelalterliches Gemäuer. Rissige Balken hielten meterdicke Steine. Meine Augen gewöhnten sich allmählich an das trügerische Zwielicht, das in den Gängen herrschte. Ich erkannte zahllose ovale Tanks, auf denen jeweils ein Totenkopf und ein Feuersymbol nebeneinander angebracht waren. Die Tanks waren mit den gleichen Röhren verbunden, wie sie an der Decke meines Gefängnisses verlegt gewesen waren.
Wir kamen nur langsam voran, denn Johannes war nicht mehr in der Lage zu laufen. Wir zogen ihn mit uns, dabei mussten wir teilweise seitlich gehen, so schmal waren die Gänge wegen der Treibstofftanks. Johannes gab keinerlei Laut von sich.
Eine Aufmerksamkeit streifte mich. Es war eine ganz besondere Präsenz, die ich schon mehrmals gespürt hatte. Eine Präsenz, die ich hasste und fürchtete.
Ich stoppte.
Auch Asmodeo verharrte.
Ich konnte sie fühlen, bevor ich sie wirklich sah. Die zwei rot leuchtenden Augen des Raben. Und dann den Raben selbst. Er flog auf uns zu, blieb in der Luft stehen, schlug heftig mit seinen schwarzen Schwingen, ehe er abrupt die Richtung wechselte und ins Nichts zurückflog, aus dem er gekommen war.
Der Rabe floh.
Er floh vor mir.
Mit wurde bewusst, dass ich Asmodeos Revolver noch immer in meiner Rechten trug. Ich löste meine linke Hand von Johannes, hob die schwere Waffe und spannte den Hahn. Vor der Visierung bewegte sich der Rabe. Aber er flog nicht mehr geradeaus, sondern wirbelte im wilden Zickzackkurs wie ein Stück Laub im Wind von uns fort. Er wollte vermeiden, mir ein leichtes Ziel zu bieten.
„Wenn du daneben schießt und einen der Treibstofftanks triffst, sind wir alle tot“, bemerkte Asmodeo, doch er hielt mich nicht zurück.
Ich erwiderte nichts, ließ die Zeit einfrieren, wurde eins mit der schweren Waffe. Die Explosion des Schusses brach sich hundertfach in dem engen Raum. Der Rückschlag der Waffe grub ihren Griff tief in meine Hand.
Als ich den Lauf senkte, sah ich den Raben auf einem der Tanks liegen. Er schrie. Seine widerwärtigen Schreie gingen mir durch Mark und Bein. Ich hatte etwas derartiges noch nie gehört. Ekel überschwemmte mich.
Ich brachte die Waffe erneut in Anschlag, diesmal hielt ich sie mit beiden Händen. Ich würde das beenden. Jetzt. Ein für allemal.
Ich spannte den Hahn mit der Linken, atmete tief ein, hielt den Atem an und zog den Abzug sorgfältig durch. Der Schlagbolzen traf auf eine abgeschossene Patrone. Der Revolver war leer.
„Sechs Schuss“, sagte Asmodeo, „das war alles, was wir hatten.“
Der Rabe richtete sich zitternd auf, einige Federn fielen zu Boden und dann setzte er seinen Flug in Richtung des Ausgangs fort. Bei jedem Flügelschlag spritzten dunkelrote Tropfen an die Wände.
Ich hatte ihn getroffen.
17
Asmodeo und ich hetzten weiter Richtung Ausgang, Johannes zwischen uns schleppend. Als wir an der Stelle vorbeikamen, an der der Rabe seine Federn verloren hatte, blickte ich zu Boden. Anstatt der Federn lag dort ein Teil eines menschlichen Fingers in einer Blutlache.
Sein Nagel war rot lackiert.
18
Wir hielten nicht an, sondern hasteten weiter. Schließlich kamen wir an ein leicht geöffnetes Portal. Asmodeo drückte es vollends auf und wir standen im Freien. Vor uns waren die dichtbewaldeten Hügel meiner Heimat, dahinter erhob sich im Licht der aufgehenden Sonne der Tafelberg, auf dem ich mit Asmodeo gepicknickt hatte. Ich blickte über meine Schulter zurück, auf das Forschungszentrum der Studentenverbindung. Auf mein Gefängnis - eine teilweise modernisierte mittelalterliche Burgruine, deren Mauern von den ersten Strahlen der Sonne berührt wurden.
Wir gingen eine ausladende Steintreppe hinunter, die auf eine große planierte Fläche mündete. Auf ihr standen einige dunkle Vans und eine Limousine, deren Motor lief. Als wir näher kamen, sprang der Chauffeur heraus, öffnete die hintere Tür und gemeinsam legten wir Johannes auf den Rücksitz.
Asmodeo hatte den inzwischen leeren Benzinkanister achtlos weggeworfen. Ich stieg zu Johannes in den Wagen, setzte mich zu ihm auf den Rücksitz und bettete seinen Kopf auf meinem Schoß.
Ich sah, wie Asmodeo draußen seine Hand ausstreckte und der Fahrer einen kleinen Gegenstand hineinlegte. Asmodeo wartete, bis der Chauffeur im Auto saß. Dann bewegte er seine Hand und eine Flamme erschien. Asmodeo warf das
Weitere Kostenlose Bücher