Fuer eine Handvoll Bisse
achtete genauso auf ihr Äußeres wie Ethan, war genauso anspruchsvoll - aber ihr fehlte es an der gewinnenden Persönlichkeit. Auf eine sehr verquere Art ergab eine Freundschaft zwischen ihr und Darius wirklich Sinn.
»Darius gehört noch der alten Garde an«, sagte Ethan. »Wenn wir die Autorität des GP anzweifeln, zweifeln wir automatisch auch ihn an. Da wir uns dazu entschlossen haben, Abtrünnige zu werden, werden wir zu dem, was sie alle verachten: Außenseiter und Verräter. Ich hoffe, dass Laceys Anwesenheit - einer Verbündeten nach seinem Geschmack sozusagen - sein zum Teil diktatorisches Auftreten abschwächen kann.«
Ethan fuhr sich mit der Hand durchs Haar, verschränkte seine Hände dann hinter dem Kopf und lehnte sich wieder an das Kopfende. Er wirkte besorgt und war sich offensichtlich nicht bewusst, wie seine Haltung die Rumpfmuskulatur betonte und ihn wie ein geistesabwesendes Model aussehen ließ, das in der
GQ
für irgendein Parfüm posierte.
An seiner Logik war nichts auszusetzen. Es war nur vernünftig, dass er Lacey um diesen Besuch gebeten hatte. Mir gefiel die Idee nicht besonders - da Lacey mir nicht besonders gefiel -, aber ich war erwachsen.
»Okay«, sagte ich.
Er sah mich misstrauisch an. »Okay?«
»Okay«, wiederholte ich lächelnd. »Ich weiß deine Ehrlichkeit zu schätzen. Ich traue Lacey zwar nicht über den Weg, aber damit komme ich klar.«
»Warum traust du ihr nicht?« Ich konnte in seinen Augen sehen, wie sehr ihn dies schmerzte; er hatte Angst, ich könnte ihn der Untreue verdächtigen. Aber um ihn machte ich mir überhaupt keine Sorgen.
»Sie liebt dich immer noch.«
»Sie liebt mich nicht«, entgegnete er, aber auf seinen Wangen deutete sich ein Hauch von Rot an.
»Ich versichere dir, dass dies der Fall ist, und dass sie bereit wäre, mich auszuschalten, um dich zurückzukriegen.«
Nun wirkte er leicht belustigt ... und auf diese typisch männlich-egoistische Art geschmeichelt. »Und das weißt du, weil ...?«
»Sie starrt dich die ganze Zeit an, sie hängt an deinen Lippen ... und sie hat es mir gesagt.«
Er wirkte überrascht. »Sie hat es dir gesagt?«
»Sie hat es mir gesagt.« Vielleicht nicht so detailliert, aber sie hat ihren Standpunkt deutlich gemacht.
»Merit, Lacey lebt seit vielen Jahren in Haus Sheridan. Sie ist die einzige Meisterin in einer Stadt, in der Hunderte Vampire leben, und sie ist - das sage ich ohne jegliches persönliches Interesse - eine äußerst attraktive Frau. Ich versichere dir - wenn sie einen Verehrer wollte, dann würde sie einen finden.«
Nicht, wenn sie immer noch auf dich hofft
, dachte ich, behielt das aber für mich. Wenn er in Bezug auf ihre Gefühle wirklich so naiv war, dann sollte ich das eigentlich als etwas Positives erachten. Es wäre viel schwerer für sie, ihn mir zu stehlen, wenn er keinen einzigen romantischen Gedanken an sie verschwendete.
»Okay.«
Ethan sah mich an. Er beobachtete mich und versuchte herauszufinden, wie meine Stimmung wirklich war, ob er mein »Okay« im männlichen Sinne (schlicht und einfach als »okay«) oder im weiblichen (als »Möglicherweise-okay, es kommt darauf an, was du als Nächstes sagst-okay«) verstehen sollte.
»Das ist dein Ernst«, sagte er.
»Ja. Ich vertraue dir. Ich bin mir nicht sicher, ob ich ihr trauen kann, aber dir vertraue ich.« Ich legte meine Hand auf seine. »Und was viel wichtiger ist, ich weiß, dass du dir Gedanken um das Haus machst - und wegen Darius und dem Greenwich Präsidium. Tu, was du tun musst. Ich werd's überstehen.«
Ohne Vorwarnung warf er sich auf mich, umarmte mich und wärmte mich durch und durch. Mir war als Vampirin oft kalt; Ethan Sullivan war mit Abstand die wärmste Decke, die sich ein Mädchen vorstellen konnte.
»Wann kommen sie denn?«, flüsterte ich.
»Erst in ein paar Stunden.« Er knabberte an meinem Hals und drückte mich fester an sich, was mir deutlich machte, wie er die nächsten Stunden gern verbringen wollte.
Bedauerlicherweise hatte ich dafür heute Abend keine Zeit. »Du musst dich an die Arbeit machen, und ich muss los. Vampire werden vermisst, und vermutlich hat der Ombudsmann mir schon ein halbes Dutzend Nachrichten auf dem AB hinterlassen.«
»Damit bist du für den Rest der Nacht wohl ausgelastet«, sagte er.
Ich machte mich unter ihm lang und schnappte mir mein Handy vom Nachttisch. Keine Anrufe, keine SMS , was eher ungewöhnlich war, aber andererseits war die Sonne auch erst vor wenigen Minuten
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