Fuer eine Nacht und fuer immer
hinterlassen – nichts als eine Mulde im Kopfkissen und ihren Duft, der immer noch im Raum schwebte. Nic ließ die Libelle durch den Raum fliegen.
Warum fühlte sich das so falsch an? Warum erschien ihm dieser Morgen so trüb, obwohl doch strahlender Sonnenschein herrschte? Und verhielt er sich nicht normalerweise genau so, wie Charlotte es nun getan hatte?
Es fühlte sich falsch an, weil nicht er derjenige gewesen war, der das letzte Wort gehabt hatte.
Also sagte er sich, dass er eine längst überfällige Pause gemacht hatte. Er hatte die Gesellschaft einer schönen Frau genossen, und nun wurde es Zeit, dass er sich wieder an die Arbeit machte. Darum drückte er auf ein paar Tasten und wartete ungeduldig darauf, dass das Spiel lud. Endlich zeigte der Bildschirm die gewohnte Umgebung – er war zu Hause. Er sagte, wo es langging. In seinem Universum war er der Oberbefehlshaber.
Die Szene: Ein rötlichbrauner Himmel, Obsidiansplitter ragten himmelwärts. Aus der Flammenhölle des Vulkans weiter unten pfiff Wind hinauf. Onyx One war an einen Felsen gekettet. Auf dem Rücken einer geflügelten violetten Kreatur eilte Reena ihm mit einem goldenen Schwert in der Hand zur Hilfe.
Charlotte.
Fluchend stieß er sich vom Tisch ab und sein Stuhl rollte rückwärts über den Parkettboden. Nic befahl sich, die Nerven zu bewahren. Doch er sah nichts als Charlotte in seinem Bett, ihren schönen Körper auf seinem Laken hingegossen wie flüssiges Gold, ihren intensiven Blick und ihre Hände, die Wunder bei ihm wirkten.
Und in der vergangenen Nacht waren sein Verstand und sein Mundwerk mit ihm durchgegangen und er hatte ihr Dinge über sich gesagt, die er noch keiner Menschenseele anvertraut hatte.
Doch die Arbeit rief. Er schob alle erotischen Gedanken und Fehlentscheidungen und die Sache mit dem Vertrauen beiseite. Er hatte ein Programm zu schreiben, und das würde er auch tun.
Seine Entschlossenheit zahlte sich aus – er arbeitete bis in die Nacht hinein, legte sich dann ein paar Stunden schlafen und setzte sich nach dem Aufstehen gleich wieder an den Rechner.
Am Nachmittag des folgenden Tages gönnte er sich eine kurze Pause. Er schwamm eine Runde und setzte sich in den Schatten, um die Zeitung zu lesen.
Doch von Seite drei starrte ihm sein eigenes Gesicht entgegen – neben einem Bild, das wahrscheinlich ein Screenshot aus einem seiner Spiele war. Die Schlagzeile lautete: ‚Dom Silverman: Die geheime Welt des Nic Russo?‘ In dem Artikel befanden sich ein Foto von ihm und Charlotte auf einer Yacht und Spekulationen über ihr Verhältnis zueinander.
Er las es gar nicht erst. Das Gefühl, verraten worden zu sein, versetzte ihm einen Stich; ihm wurde schwarz vor Augen. Mühsam stand er auf und griff nach seinem Handy.
Als ihr Telefon klingelte und sie Nics Nummer sah, blieb Charlotte fast das Herz stehen, bevor es umso schneller klopfte. Wie oft war sie in den letzten vierundzwanzig Stunden versucht gewesen, ihn anzurufen, hatte sich dann aber gesagt, dass Nic nichts weiter von ihr wollte!
Dann dachte sie daran, dass sie ohne ein Wort gegangen war, und nahm das Gespräch mit einer Mischung aus Aufregung und Beunruhigung entgegen. „Hallo, Nic. Hast du meine SMS …“
„Warum, Charlotte?“ Mit diesen Worten und diesem Tonfall hatte sie nicht gerechnet. Seine Stimme hatte nicht die übliche verführerische Note, sondern klang angespannt und entfernt und war mit einer so kalten Wut erfüllt, dass ihr ein Schauer über den Rücken lief.
„Es tut mir leid.“ Ihre Hände begannen zu zittern. „Ich dachte, unter den Umständen wäre es am besten …“
„Hast du es des Geldes wegen getan? Ist deine Erbschaft kleiner ausgefallen als erwartet?“
„Wovon sprichst du?“
„Der Reporter am Strand“, sagte er mit schneidender Stimme. „Du hast ihm von mir erzählt. Von Dom Silverman.“
„Nein! Das habe ich nicht getan! Was ist passiert?“
„Ein Zeitungsartikel. Das ist passiert. Komischer Zufall, dass er genau einen Tag nach deiner Abreise erscheint, findest du nicht?“ Er sagte das so, als sei sie bei Nacht und Nebel mit seinem gesamten Hab und Gut verschwunden.
„Oh Nic, nein …“ Charlottes Finger krampften sich um das Telefon. „Glaub mir, Nic. So etwas würde ich dir niemals antun.“ Sie schloss die Augen. „Ich schwöre dir beim Grab meiner Eltern, dass ich das nicht getan habe.“
Es folgte ein langes, angespanntes Schweigen. Ihm musste doch klar sein, dass sie das Andenken an ihre
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