Für eine Nacht
nicht nur als ausgezeichneter Liebhaber erwiesen, sondern auch ein instinktives Verständnis für ihre Wünsche und Bedürfnisse gezeigt. Wie sonst ließ sich der Champagner erklären, den sie nie getrunken hatten? Die Bitte, die Nacht über bei ihm zu bleiben? Und da war noch etwas. Das Schicksal hatte sie mit einem Mann zusammengeführt, der seinem eigenen Eingeständnis zufolge sein ganzes Leben anderen gewidmet und seine eigenen Wünsche immer hintangestellt hatte. So wie sie selbst. Ohne die Einzelheiten zu kennen, ahnte Sloane, dass sie mehr gemeinsam hatten, als sie es von einem One-Night-Stand erwartet hätte.
Aber er war nur ein Mann für eine Nacht für sie gewesen, daran ließ sich nicht rütteln. Später konnte sie alle Ereignisse dieser Nacht in ihrer Fantasie wieder aufleben lassen, aber jetzt musste sie Chase erst einmal aus ihren Gedanken verbannen und sich ihren familiären Problemen zuwenden. Aber sie wünschte ihm für sein neues Leben alles Gute, und sie wusste, dass sie auf dem Weg in ihre ungewisse Zukunft oft an ihn denken würde.
Vor der Hotelzimmertür ihrer Eltern blieb sie unschlüssig stehen. Sie wusste nicht recht, wie sie die vor ihr liegende Unterredung angehen sollte. Ihr Vater war wahrscheinlich bei einer in letzter Minute einberufenen Versammlung oder überarbeitete seine Rede, aber Madeline war sicherlich im Zimmer.
Ihre Stiefmutter war eine schöne Frau, deren ruhige Gelassenheit sie zur idealen Gattin eines Politikers machte. Sie war auch nach dem Tod ihrer Freundin Jacqueline der damals achtjährigen Sloane bis heute eine gute Mutter gewesen und hatte, das musste Sloane ihr zugute halten, nie einen Unterschied
zwischen ihrer Stieftochter und ihren beiden eigenen Kindern – den Zwillingen Eden und Dawne – gemacht. Dafür hatte Sloane sie angebetet.
Und aus diesen Gründen traf es sie umso schmerzlicher, dass man sie über ihre Herkunft belogen hatte. Sie schüttelte den Kopf, nahm all ihren Mut zusammen und klopfte an die Tür, die sofort geöffnet wurde.
»Sloane! Wo bist du denn gewesen?« Madeline packte Sloane bei der Hand und zog sie in eine mütterliche Umarmung. »Dein Vater und ich haben uns furchtbare Sorgen gemacht, als du gestern Abend nicht zum Essen erschienen bist.«
So viel zur viel gerühmten Gelassenheit ihrer Stiefmutter, dachte Sloane, während sie die Umarmung erwiderte. Obwohl Madeline bereits für die Pressekonferenz gekleidet war und mit ihrem dunklen Haar und dem sorgfältigen Make-up große Ähnlichkeit mit Jackie Kennedy hatte, zeugten feine Fältchen rund um ihre Augen von der Angst, die sie um Sloane ausgestanden hatte.
Augenblicklich stiegen Schuldgefühle in Sloane auf, obwohl sie gute Gründe gehabt hatte, dem Familientreffen fern zu bleiben. »Es tut mir Leid.« Nervös spielte sie mit ihren Fingern, während sie nach den richtigen Worten suchte. »Aber ich musste eine Weile allein sein – um in Ruhe nachdenken zu können.«
»Worüber denn?« Madeline strich Sloane das Haar hinter die Schultern, wie sie es immer getan hatte, als Sloane noch ein kleines Mädchen gewesen war. »Möchtest du darüber reden?«
Sloane nickte. »Aber wir setzen uns besser.« Sie folgte ihrer Stiefmutter zu dem Sofa im Vorraum der Suite, demselben Raum, vor dessen Tür sie am Abend zuvor zufällig Zeugin
des Gesprächs zwischen Frank und Robert geworden war. »Sind wir ungestört?«
Madeline nickte gleichfalls. »Dein Vater hat eine Besprechung mit Frank, und die Zwillinge machen einen Einkaufsbummel.«
»Dann hoffe ich nur, du hast ihnen ein Limit gesetzt«, lachte Sloane. Shoppen war die Lieblingsbeschäftigung aller siebzehnjährigen Mädchen, und ihre Zwillingsschwestern bildeten da keine Ausnahme. Zu Hause im Norden des Staates New York beklagten sie sich ständig darüber, dass es keine größeren Einkaufszentren gab.
»Ich habe ihnen Geld gegeben und ihre Kreditkarten konfisziert.« Ein belustigter Funke tanzte in Madelines Augen, erlosch jedoch sofort wieder. »Und jetzt erzähl mir, was dir auf dem Herzen liegt.«
Die aufgesetzte Fröhlichkeit verflog. Sloanes Magen krampfte sich zusammen, und sie holte tief Atem. »Ich wollte gestern Abend eigentlich zum Dinner kommen, aber ich war eine halbe Stunde zu früh dran, und du und Dad wart noch nicht vom Einkaufen zurück.« Sie rang die Hände und versuchte, die aufsteigende Übelkeit sowie ihre eigene Furcht zu unterdrücken. »Aber Frank und Robert waren hier. Sie stritten sich über eine ...
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