Für eine Nacht
weiß, das klingt schäbig, aber ...«
»Es ist schäbig.« Sloane stellte ihr Glas auf den Tisch, sprang auf und begann, im Raum auf und ab zu gehen. »Ich kann es immer noch nicht glauben.«
»Deswegen haben wir es ja auch nicht übers Herz gebracht, dir die Wahrheit zu sagen.«
Sloane seufzte, dann drehte sie sich um und machte Anstalten, etwas zu sagen, doch ihre Stiefmutter kam ihr zuvor.
»Was hat Robert sonst noch gesagt?« Ein Anflug von Furcht schwang in ihrer Stimme mit.
Sloane spürte pochende Kopfschmerzen. Sie suchte in ihrer Tasche nach den Tabletten, die sie immer bei sich trug, und spülte eine mit Cola hinunter, dann rieb sie sich die Schläfen und rief sich die Unterredung wieder ins Gedächtnis, die sie gestern Abend mit angehört hatte. »Robert fragte, ob Samson Beweise für seine Behauptung hätte, und Frank sagte, er brauche gar keine, denn Michael hätte alles bestätigt.«
Madeline holte tief Atem. »Was noch?«
Sloane schloss die Augen und versuchte sich zu konzentrieren. Frank hatte gesagt, Samson stelle eine Gefahr für Michaels Wahlkampf dar, aber ihr Vater würde sich weigern, in seinem eigenen Interesse etwas gegen den Mann zu unternehmen. Und Frank hatte verhindern wollen, dass Michael von ihren Plänen erfuhr.
Weil er und Robert offenbar beabsichtigten, diese Gefahr auszuschalten.
Sloane richtete sich auf. Ihr Herz hämmerte wild. Frank wollte Samson unschädlich machen. Ehe er mit der Wahrheit über ihre Abstammung an die Öffentlichkeit ging?, fragte sich Sloane. War es das, was Frank gemeint hatte, als er Samson als Gefahr für den Wahlkampf bezeichnete? Er wollte verhindern, dass die Wähler erfuhren, dass Senator Michael
Carlisle seine Tochter fast dreißig Jahre lang getäuscht hatte, denn sonst könnten sie denken, er würde sie ebenso bedenkenlos belügen, und dann war jegliche Hoffnung auf einen Wahlsieg dahin. Ja, so musste es sein. Es war die einzige Erklärung, die einen Sinn ergab.
»Was ist?«, hakte Madeline nach, der nicht entging, dass Sloane innerlich mit sich rang.
»Nichts. Ich ... ich brauche nur eine Minute Zeit zum Nachdenken.« Sloane griff nach ihrem Glas und bemühte sich, Ruhe zu bewahren.
Frank wollte Samson unschädlich machen, den Mann, von dem sie vor kurzem erfahren hatte, dass er ihr leiblicher Vater war, und nun bewegte sie sich sozusagen auf einem emotionalen Minenfeld. Sloane zweifelte nicht daran, dass Frank seine Drohungen wahr machen würde. Er kannte keine Skrupel, wenn sein Lebenswerk auf dem Spiel stand, und er betrachtete Michael Carlisles Kandidatur für das Amt des Vizepräsidenten – der später vielleicht einmal Präsident der Vereinigten Staaten werden würde – als seine ganz persönliche Mission.
Die ganze Familie Carlisle hatte hart auf diesen Augenblick hingearbeitet. Und obwohl sie jetzt wusste, dass ihr Vater sie jahrelang belogen hatte, würde Sloane nicht zulassen, dass irgendwer oder irgendetwas ihn daran hinderte, sein Ziel zu erreichen.
Aber jemand musste Samson vor der Gefahr warnen, in der er schwebte, und das konnte niemand außer Sloane selbst tun. Sie drehte das Glas zwischen den Händen. Ihr blieb keine andere Wahl, als ihren leiblichen Vater ausfindig zu machen und sich zu ihm zu bekennen. Bei dem Gedanken überlief sie ein Schauer, und er erschreckte und faszinierte sie zugleich.
Wie würde sie sich verhalten, wenn sie ihm gegenüberstand?, fragte sie sich. Die Hand ausstrecken und sich vorstellen, vermutlich. Und ihn dann fragen, was er von ihrem Vater wollte. Herausfinden, inwiefern er Michael Carlisle schaden konnte. Vielleicht gelang es ihr, die Zwistigkeiten zwischen ihm und den Männern ihres Vaters beizulegen.
Aber sie musste Franks Drohung für sich behalten, sonst würde Madeline sie nie zu Samson fahren lassen. Nicht ohne den Begleitschutz des Secret Service, was wiederum Frank alarmieren und ihre Pläne durchkreuzen würde. Ihre Nerven waren bis zum Äußersten angespannt.
Dann begegnete sie dem stummen Blick ihrer Stiefmutter. »Ich möchte ihn kennen lernen.« Sie brachte es nicht über sich, den Mann als ihren Vater zu bezeichnen. Es fiel ihr schon schwer, überhaupt über ihn zu sprechen, geschweige denn, den Mut aufzubringen, ihr Vorhaben auch in die Tat umzusetzen. Eines nach dem anderen, suchte sie sich zu beruhigen. Dann wird sich schon alles finden.
»Du möchtest Samson treffen?« Madeline wirkte vollkommen überrascht.
Sloane nickte.
Madeline legte den Kopf schief und
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