Fuer Elise
der Tasse schwappte, stellte sie die Tasse auf das Sideboard zu ihrer Rechten und mit dem Geräusch verschwanden die Wortfetzen. Sie trat in den Gang zwischen zwei Labortische, die den Raum von hier aus komplett durchliefen und sich unter Büchern nur so bogen. Gefäße aus Glas standen überall herum. Röhrchen und Messer lagen neben getrocknete Pflanzenresten. Pulver schichteten sich in Dosen, sicher auch von gemahlenen Tierkadavern. Der Gipsabdruck eines Fledermausgebisses, vergilbte Listen mit Telefonnummern und eine Unzahl benutzter Kaffeetassen füllten die Leerräume zwischen den Büchern.
Elise ging zwischen den Tischen hindurch und glitt mit dem Blick über die Tischplatten. Plötzlich fühlte sie sich hilflos. Womit sollte sie bloß anfangen?
Ein Scharren riss ihren Blick nach links.
Die Tiere in den Käfigen begrüßten sie mit erhobenen Nasen. Elise fütterte die Ratten regelmäßig, seit sie zurück nach Choisric gezogen war. Neben den Käfigen standen, versteckt unter ein paar erdfarbene Decken, die Terrarien, in denen ihr Vater seine Giftspender hielt. Vorwiegend handelte es sich dabei um Spinnen und Skorpione.
Alles in dem Raum lag noch so unberührt vor ihr, wie seit dem Tag seiner heimlichen Abreise nach Dublin. Und ab heute war es 'ihr Labor'.
Elise fühlte etwas zwischen Begeisterung, Stolz und einem Klumpen Angst, der in ihrem Magen zu einem Felsbrocken anwuchs.
Sie ging weiter und blieb mit der Hand an einer über die Tischkante hinausragenden Buchkante hängen. Als sie es an seinem speckigen Ledereinband ein Stück auf den Tisch zurückschob, fiel i hr Blick auf die aufgeschlagene Seite. Sie zeigten Zeichnungen, ähnlich Da Vincis Skizzen. Stilisierte Körper, denen Pflöcke ins Herz getrieben wurden, detailgetreue Abbildungen von Holzgeräten: Pflöcke, landwirtschaftliche Geräte und Holzkeile. Zu ihrer Verwunderung hatte ihr Vater die Abbildung eines so genannten 'Dreschschlegels' mit Kugelschreiber eingekreist. Daneben war die vergrößerte Skizze eines menschlichen Herzens abgebildet. Oberhalb des Buchs lag eine große Bibel, deren Ränder im Neonlicht golden glänzten.
Seltsam. I hr Vater schloss christlichen Theorien über Vampire von Grund auf aus.
Elise verlor die Bücher aus den Augen, ging am Herd vorbei, auf dem noch immer einige Töpfe standen. Ein Wasserkocher und allerlei Besteck lagen daneben, so als hätte ihr Vater erst gestern hier gearbeitet. Sie verdrängte den Gedanken an das Experiment mit den Ratten, denen er einen Aderlass verpasst hatte, um 'Versuchs-Vampire' aus ihnen zu züchten. Ein ähnlich vielversprechendes Experiment, wie das mit den Kreaturen, die sie hinter der Höhlentür erwarteten. Elise erschauderte und erinnerte sich daran, dass sie ihren Vater liebte.
An der Stirnseite des Raumes, auf den sie zutrat, erhob sich das "Gewürzregal". Ein Holzgerippe, das bis zur Decke reichte und voller Kästchen, Döschen und Röhrchen war. Notizen und Berichte steckten zwischen Schachteln, gelbe Haftnotizen klebten auf Gläsern mit undefinierbarem Inhalt. Heftchen lagen auf kleinen Holzkisten, die früher einmal Zigarren beherbergt hatten. Ihr Vater hatte sein Leben darauf verwendet, jedes Kräutchen, das in einer Vampirsaga Erwähnung fand, zu testen und zu katalogisieren. Natürlich kam dem Knoblauch eine größere Bedeutung zu. Er nahm die Hälfte des Gewürzregals ein und zwar in seiner vollendeten Form: zerkocht, gestapft, gemischt mit Präparaten, Kräuter, Giften und Blut… Elise war wieder einmal froh, dass sie keine der Frauen war, die unter leicht auslösbarem Ekel litt.
Elise schloss die Augen und e inen Augenblick schien es, als krieche unter die Sicherheit ihrer Wahrnehmung, Angst und Kälte. Sie riss die Augen auf, als das Gefühl übermächtig zu werden drohte. Ein kaum wahrnehmbarer Luftzug von rechts erinnerte sie an etwas Verschüttetes tief in ihrer Erinnerung.
Die Höhlentür.
Im Dunkel ihres Unterbewusstseins wusste sie, dass sie sie bereits einmal geöffnet hatte. Damals war sie noch ein Kind gewesen. Weiter ließen sich die Schemen kaum fassen.
Es war im Grunde n ur die Tür zu einer Höhle. In Irland gab es Hunderte Schlösser wie dieses und ein paar davon standen auf Höhlen. Wenn sie ihres Vaters Erbe annehmen wollte, musste sie nachsehen, ob die Biester dahinter noch lebten. Denn sie waren, wie er immer gesagt hatte, seine einzige heiße Spur.
Ihre Finger zitterten, als sie den alten Schlüssel aus seinem Versteck in der
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