Für hier oder zum Mitnehmen?
scheint, ob die Mitteilung erfolgreich überbracht wurde. Als wäre diese Aussage ein Dankeschön, ein Geschenk für mein Entgegenkommen. Die beiden überqueren die Kreuzung.
Der Rosenthaler Platz ist ein merkwürdiger Ort in Berlin. Obwohl er zentral liegt und die Verkehrsanbindung überragend ist, hat man nicht das Gefühl, dass es sich um einen Platz handelt. Früher hat sich ein Stadttor in seiner Mitte befunden, das Rosenthaler Tor. Bis ins neunzehnte Jahrhundert hinein der einzige Eingang, durch den Juden Berlin betreten durften. Nun fehlt dem Platz eine Mitte, nicht einmal eine Verkehrsinsel deutet sie an. Straßenbahnschienen zerfurchen ihn in fast jede Richtung. Überspannt ist er von einem dichten Netz aus Oberleitungen, die an den jeweiligen Eckhäusern befestigt sind. Es verbindet die Häuser auf gespenstische Weise miteinander und erzeugt eine Art Baldachin über dem Platz. Drei große Laternen, fast so hoch wie die Häuser selbst, errichtet zu DDR -Zeiten, die oben in zwei riesigen Leuchtkörpern enden, durchstoßen den Baldachin.
Der Rosenthaler Platz ist die zentrale Verbindung zwischen Mitte, Prenzlauer Berg und Wedding. Aber die Passanten verweilen nicht, sondern durchqueren diesen Ort nur. Der Platz mit seinen angrenzenden Magistralen ist reine Bewegung. Automobile, Lastkraftwagen, Fahrräder, Straßenbahnen, Menschen.
Berlin ist eine launige, schrullige Diva, deren uralte, tiefe Schönheit nicht für jedermann zugänglich ist und oft nur auf den zweiten Blick verstanden werden kann. Der Rosenthaler Platz ist eine Brosche, die ihr gut steht. Ein Juwelier würde sie nicht unbedingt in sein Schaufenster legen.
Ich wende mich ab und betrete das Café. Am Tresen empfängt mich Milena, offensichtlich hat sie etwas auf dem Herzen.
»Wenn du schon mal dabei bist, Hausverbote zu erteilen, hätte ich da auch noch einen Kandidaten für dich.«
Milena besitzt ein für mich schwer zu durchschauendes Wertesystem, das bisweilen für eine gewisse Dramatik sorgt – im Hauptberuf ist sie Schauspielerin.
»Wir haben einen neuen Stammgast, einer, der auch immer nur mit Laptop dasitzt. Der bleibt ewig hier bei mir am Tresen stehen und versucht mich in Gespräche zu verwickeln, vor allem macht er ständig anzügliche Bemerkungen, und das mit so einem schmierigen amerikanischen Akzent. Ich komme mir dann immer vor wie in einer dieser ganz billigen Fernsehproduktionen. Den jedenfalls kannst du auch rausschmeißen.«
Es ist nicht immer leicht mit Schauspielern.
»Um ein Hausverbot auszusprechen, müssen schwerwiegende Dinge vorfallen. Hat er denn versucht, dich anzufassen, oder ist er verbal deutlich unter die Gürtellinie gegangen?«
»Nein, eben nicht, und er kauft auch immer viel und gibt hohes Trinkgeld. Aber all das ist eben Teil seiner schmierigen Anmache.«
»Wie du dir vielleicht denken kannst, bin ich im Moment dankbar für jeden echten Gast. Ich kann nicht die Wenigen, die ordentlich konsumieren und nicht stundenlang an einem Kaffee sitzen, gleich rausschmeißen, weil du dich davon angemacht fühlst. Es gehört zum professionellen Kellnern dazu, auch schwierige Gäste zu bedienen.«
»Du verstehst mich nicht. Du solltest ihn einfach mal selber bedienen, der Typ ist gruselig.«
Das ist typisch für Milena. Ich kann weder sauber dagegenargumentieren und die Sache aus dem Weg räumen noch Verständnis für sie aufbringen, daher nehme ich ihren Vorschlag an und will der Sache auf den Grund gehen. Ich bitte Milena, sich unserem neuen Stammgast gegenüber bis dahin professionell und sachlich zu verhalten.
Sorgt meine Unternehmensphilosophie dafür, dass alle Außenseiter und Freaks, die kein halbwegs vernünftig denkender Gastronom in seinen Räumen dulden würde, sich nun in meinem Café versammeln? Die wenigen Gäste, die uns besuchen, sind fast allesamt merkwürdig und abstoßend. Ein großer Teil erzeugt keinen echten Umsatz. Die laufenden Geschäftskosten lassen sich so nicht decken, geschweige denn meine privaten Lebenshaltungskosten. Auf dem Konto ist noch ein kleiner Liquiditätspuffer vorhanden, doch wenn ich alle Verbindlichkeiten begleichen würde, die heute fällig sind, wäre dieser Puffer verbraucht.
In der Hoffnung, keine neuen Waren bestellen zu müssen, gehe ich in die Küche. Ich will kontrollieren, ob etwas eingekauft werden muss.
Shanti bereitet in einem sehr großen Topf eine Suppe zu. Berliner Kartoffelsuppe mit Speck.
Shanti Nagar ist Inder. Während der Arbeit trägt er
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