Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Zeit, schlafen zu gehen. Doch einige von ihnen hatten einen letzten Kontrollgang zum Feuer auf der Wiese unternommen. Vom lodernden Flammeninferno war nur noch schwelende Glut übrig, die in wenigen Stunden zu einem Häuflein Asche verbrannt sein würde. Sarah und Margaret weinten in der Dunkelheit, niedergeschlagen angesichts der Symbolik.
Plötzlich ertönte von irgendwo außerhalb ihres Kreises ein scharfes Zischen, und im nächsten Moment fühlten sie sich wie unter Raketenbeschuss. Etwas Undefinierbares explodierte unter unzähligen grellen Lichtblitzen, die zischend und krachend eine halbe Ewigkeit lang über die Wiese zuckten und Evie so nahe kamen, dass sich der sonst so kecke, selbstbewusste Teenager hysterisch schluchzend an seine Mutter klammerte.
Schließlich endete der Irrsinn so schnell, wie er begonnen hatte, mit feuchtfröhlichem Zischen.
Miranda lächelte längst nicht mehr. »Wir hätten … das hätte uns alle …« Sie legte ihre Hände auf ihren Bauch.
»Welcher Idiot hatte denn diese blödsinnige Idee?«, fragte Bud.
»Ja, wer war das?« Sarah warf Whoopee einen etwas ängstlichen Blick zu. Zu ihrer großen Erleichterung allerdings schien er ebenso wütend zu sein wie alle anderen, so als benähme er sich diesmal wie der Rest der anständigen, verantwortungsbewussten Familie, die er seit Jahren mit Spott übergoss.
Evie hatte eine Taschenlampe. Sie fanden einen verräterischen Stock im Boden eingegraben, nur gut sieben Meter vom Feuer entfernt. Offenbar hatte sich jemand aus der Gruppe heimlich entfernt, um eine große Feuerwerksrakete zu zünden. Die Lunte musste unentdeckt im dichten Gras abgebrannt sein, und hatte dem Witzbold damit Zeit genug gelassen, sich in Sicherheit zu bringen.
In Abwesenheit von Robert übernahm Guy dessen Rolle. »Ich gehe der Sache auf den Grund«, verkündete er, und sein Blick wanderte drohend von einem Cousin zum anderen.
Bud allerdings hielt Spud für zu egozentrisch, um so etwas geplant zu haben. Und sosehr Theo auch Aufmerksamkeit liebte, war er für solche Dummheiten viel zu feige.
Wer immer jedoch die Rakete gezündet hatte, hatte dies wohl in bester Absicht getan, sozusagen als letzte sprühende Hommage an die Frau, die sie alle geliebt hatten. Nur Pech, dass die Rakete, nachdem sie Celias geliebte Enkel und den ungeborenen ersten Großenkel in Angst und Schrecken versetzt hatte, schmählich in einem Sumpfloch verpufft war.
3
Es bedarf eines kräftigen Stocks, um die Last
zu übernehmen, die das betroffene Bein normalerweise
trägt. Stöcke sollten auf der dem schwachen oder
verletzten Bein gegenüberliegenden Seite
eingesetzt werden. Mag sein, dass das dem widerspricht,
was wir intuitiv getan hätten, es erlaubt jedoch
eine Stabilisierung der Haltung und eine bessere
Entlastung der schwachen Körperpartie.
GEBRAUCHSANWEISUNG FÜR EINEN SPAZIERSTOCK, GEFUNDEN
IM ARBEITSZIMMER. AUF DER RÜCKSEITE MIT DER
HANDSCHRIFTLICHEN BEMERKUNG: Ich schwanke wie ein wanderer zwischen den welten,
unsicher, in welche richtung ich mich wenden soll. MIT GROßER SICHERHEIT IN DEN TAGEN UNMITTELBAR
NACH F. B.S TOD GESCHRIEBEN, ALSO NACH DEM 7. JANUAR 1990.
AUSGESPROCHEN ZITTRIGE HANDSCHRIFT.
»Wir haben sogar Fasanenpastete«, informierte Sarah Margaret, noch bevor sie die Schwelle von Parr’s überschritten hatte. Sie sprach sehr schnell, so als wolle sie die Angst vor der Rückkehr übertünchen. »Whoopee hat das Picknick vorbereitet. Das heißt, er hat vorgeschlagen, was ich einpacken soll. Wir haben Walnussbrot und Ziegenkäse, Himbeeren und Sahne. Ich bin ja so glücklich!« Sie hielt den Korb mit dem Essen fest umklammert. Dann füllten sich ihre Augen mit Tränen. Sie starrte auf die Gummistiefel ihrer Mutter, schmutzverkrustet und von Spinnweben überzogen, die noch immer aufrecht in der Diele standen.
In diesem Moment ertönten ein paar gedämpfte Takte aus Pachelbels Kanon in D-Dur, und Sarahs Melancholie war wie weggewischt. Sie kramte lachend in ihrer unordentlichen Handtasche, förderte einen Lippenstift, Sonnenbrille, Pinzette und eine kleine Pflanzkelle zutage, und erklärte: »Es macht Whoopee verrückt, wenn er beim Telefonieren in die Warteschleife gerät und gezwungen ist, sich diese schrecklichen Pausenfüller anzuhören. Letzte Woche hat er meinen Klingelton, das Leitmotiv vom ›Frühjahr‹ aus den Vier Jahreszeiten abgeändert. Er meint, wenn Vivaldi geahnt hätte, dass seine Musik eines Tages bei den Menschen Mordgelüste auslösen
Weitere Kostenlose Bücher