Für immer, Deine Celia: Roman (German Edition)
Heizmaterial ausgegraben worden. Über allem lagen eine graue Staubschicht und ein Gestank, der sich nie vollkommen verflüchtigte. Es war bestürzend und eindrucksvoll zugleich, wie die traumatisierte Bevölkerung versuchte, zurechtzukommen. Die Menschen drängten sich in jedem halbwegs akzeptablen Wohnraum. Rauch quoll aus Rohren, die aus dem Schutt ragten, ein Zeichen dafür, dass ganze Familien in den Kellern irgendwo im Untergrund hausten. Menschen lebten sogar in den halb offenen Räumen von Ruinen, die nur über Leitern erreichbar waren. Hier und da waren Wäscheleinen zwischen den Trümmern gespannt, die wie Kapitulationsfahnen oder die mutige Vorspiegelung normalen Lebens anmuteten.
In seinen Briefen in die Heimat hatte Frederick natürlich nichts von alledem erwähnt. Als er und Celia schließlich wieder vereint waren, erzählte er ihr von den noch schlimmeren Zuständen, die er und sein Regiment ein Jahr zuvor vorgefunden hatten: von den zerstörten Brücken, den verminten Wasserstraßen, dem Metallschrott, der von Eisenbahnschienen übrig geblieben war, den instabilen Mauern und Fassaden, die die Militärpatrouillen zwangen, sich in der Straßenmitte aufzuhalten, damit die Soldatentrupps keine fatalen Schwingungen auslösten; von den öffentlichen Uhren, die nicht mehr funktionierten; der Ausgangssperre, die mit Sirenengeheul verkündet wurde, das an Fliegeralarm erinnerte; der Knappheit von Wasser, Strom und Gas. Doch wie er immer wieder betonte, wären sie, die Engländer, die Notleidenden gewesen, hätte sich das Kriegsglück gedreht.
Tatsächlich hatte man ihnen Quartier in einem Haus mit eleganten Räumen und einem herrlichen, großen Garten zugewiesen. Das alles hatte allerdings seinen Preis. Das Anwesen gehörte der sechsköpfigen Familie Braun, bestehend aus drei Generationen, die nun zusammengepfercht im Keller hausten und ihren wunderschönen Esstisch aus dem 18. Jahrhundert und ihren kostbaren Bechstein-Flügel der Obhut von Fremden überlassen mussten. Freunde von Frederick, die in einem anderen Haus einquartiert worden waren, berichteten von Damasttischdecken mit aufgestickten Hakenkreuzen. Bei den Brauns allerdings, und da stimmte Frederick zu, handelte es sich um anständige Leute. Nur weil sie all die Grausamkeit und den Wahnsinn überlebt hatten, bedeutete das nicht, dass sie auch Nazis waren, hatte Frederick großzügig geurteilt. Und es war seine Idee, Frau Braun eine Pauschale dafür zu bezahlen, dass sie ihr eigenes Haus sauber hielt. Ganz in diesem Sinne entschied er ebenfalls, dass es jedem nur nützen könne, wenn Herr Braun sich weiterhin um das Obst und Gemüse in seinem Garten kümmerte.
Celia empfand die Situation aus mancherlei Gründen als sehr unangenehm. Aber nach nur zehn Tagen in Deutschland hatte sie mit Frau Braun Freundschaft geschlossen. Sie verständigten sich mit Zeichensprache und einem kleinen Englisch-Deutsch-Lexikon. Mit Fredericks Erlaubnis bat sie Frau Braun, ihr bei den Vorbereitungen zu ihrer ersten Dinnerparty zu helfen.
Alles wäre vielleicht gut gegangen, wäre nicht Aphrodite Barclay am Morgen vor dem Abendessen, zu dem auch sie und ihr Mann geladen waren, unangemeldet ins Haus geschneit. »Dachte, du kannst vielleicht Hilfe brauchen«, erklärte sie, doch in Wirklichkeit langweilte sie sich vermutlich wie so viele Frauen der Männer, die hier Dienst taten. Es war das erste Mal, dass sie das Haus und den zauberhaften Garten sah, und es war augenblicklich klar, dass das Quartier der Barclays damit nicht konkurrieren konnte. »Hübsch«, sagte sie immer wieder leicht verschnupft. Aber als Celia die Situation mit der Familie Braun erklärte, sagte sie: »Zumindest das müssen wir nicht ertragen.«
»Komm, sieh dir an, was es zu essen gibt«, schlug Celia eifrig vor, so wie sie Aphrodite vielleicht gebeten hätte, ein neu erworbenes Bild zu beurteilen. Am Vorabend hatte Frederick einen großen Schweinebraten, Butter, Zucker und Mehl mitgebracht, damit sie eine Pastete zubereiten konnte. Die Lebensmittel waren natürlich vom Schwarzmarkt, gegen Zigaretten eingetauscht – aber durchaus legitim, so hatte er lachend erklärt, wenn der kommandierende Offizier zum Abendessen geladen war.
Die beiden jungen Frauen gingen in die große, altmodische Küche, die Frau Braun tadellos sauber hielt. Frau Braun hatte wie jeden Morgen das Frühstück abgeräumt und, wie üblich, den Kaffeesatz für einen zweiten Aufguss für ihre Familie verwendet.
»Frederick hat
Weitere Kostenlose Bücher