Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
Zeugen?«
»Einen Zeugen?«, fragt Veronique, und ihr Lächeln lässt mich erschauern. Ihre Augen sind kalt. Ohne jede Gefühlsregung. Voller Hass. »Oh nein. Wenn hier jemand den Zeugen spielt, dann du.«
Ich sehe sie verwirrt an. »Aber du willst dich doch an mir rächen. Weil du denkst, ich hätte dich damals getötet.«
Sie beginnt, vor mir auf und ab zu gehen, und ich kann ihre Erregung beinahe mit den Händen greifen. »Ich will nicht deinen Tod. Das wäre keine gerechte Strafe. Du verstehst es nicht, oder? Du glaubst immer noch, du hättest mich an jenem Abend getötet. Willst du wissen, was du getan hast? Du hast mir in einer einzigen Sekunde alles genommen, was ich hatte, und ich konnte nichts dagegen tun. Alessandra hat mir alles bedeutet.« Sie geht hinüber an die Brüstung, genau zu der Stelle, wo sie vor so langer Zeit hinunterstürzte. »Verstehst du jetzt? Vor hundert Jahren hast du mir das Kostbarste genommen, das ich hatte. Darum muss ich dir jetzt etwas ebenso Kostbares nehmen.« Sie kommt ein paar Schritte auf mich zu und betrachtet meinen geschienten Arm. »Zuerst dachte ich, es würde genügen, dir das Cellospiel zu nehmen. Aber dann habe ich begriffen, dass es etwas gibt, das dir noch viel mehr bedeutet.« Sie blickt hinüber zu Griffon. »Etwas, dessen Verlust du dein Leben lang nicht verwinden wirst, so wie ich ihren Verlust niemals verwinden werde, und wenn ich noch so viele Leben bekomme.« Veronique stellt sich dicht vor mich und starrt mich unverwandt an. Ihr Gesicht ist so nah, dass ich jede einzelne ihrer Wimpern erkennen kann. »Schau genau hin«, sagt sie. »Wen siehst du?«
Sie strahlt eine solch vernichtende Energie aus, dass ich ein Stück zurückweiche. Dann blicke ich sie an. Für einen Augenblick verschwimmen ihre Gesichtszüge und ich sehe ein breites, freundliches Lächeln und glänzendes, dunkles Haar. Mein Blick fällt auf das Muttermal über ihrem rechten Auge. Es ist genau an der Stelle, an die ein verzweifelter junger Mann vor hundert Jahren die Pistole hielt, bevor er abdrückte. Mein Herz schlägt bis zum Hals, als ich die Seele erkenne, der ich vor so langer Zeit schon einmal begegnet bin. Ich kann es immer noch nicht glauben. »Paolo?«
»Haha!« Veronique klatscht in die Hände und tritt wieder ein Stück zurück. »War doch gar nicht so schwer, oder?«
Ich mustere sie noch einmal ungläubig und versuche, in ihr den gut aussehenden jungen Mann von damals zu erkennen. So lange Zeit habe ich gedacht, sie sei Alessandra, es fällt mir schwer, zu begreifen, dass sie in Wirklichkeit jemand ganz anderes ist.
»Als ich Paolo war, hast du mir das Wertvollste genommen. Seither suche ich überall nach Alessandras Seele. Als ich bei deinem Konzert damals im Konservatorium erkannte, dass du eine Akhet bist, habe ich gehofft, du wärest vielleicht diejenige, in der sie zurückgekehrt ist.« Veronique senkt den Blick und betrachtet eine Weile den kiesbedeckten Boden. »Dann wurde mir klar, wer du wirklich bist, doch gleichzeitig fand ich etwas, das mir genauso viel Genugtuung verschaffen wird: den Wesenskern, zu dem es dich mehr als alles andere hinzieht.«
Ich höre ein metallisches Klicken. Veronique hat eine schwere, schwarze Pistole aus dem Mantel gezogen und richtet sie auf Griffons Kopf.
»Veronique!«, schreie ich erschrocken. »Das ist doch Wahnsinn! Ich bin es, Cole. Wir sind Freunde in diesem Leben, und was immer auch in der Vergangenheit passiert ist, spielt keine Rolle mehr. Und Griffon hat mit all dem am allerwenigsten zu tun.«
»Wie schön, dass du das so siehst«, sagt sie, ohne den Blick oder die Waffe von Griffon abzuwenden. »Du bist so wunderbar naiv. Allerdings muss ich dir sagen, dass ich deine Meinung nicht teile. Was in der Vergangenheit geschehen ist, spielt nämlich eine sehr große Rolle. Weil es das Einzige ist, was zählt.« Ich sehe nicht einmal, wie ihr Finger sich bewegt, höre nur den ohrenbetäubenden Knall. Entsetzt zucke ich zusammen und mein Herz schlägt bis zum Hals.
Kleine Steinsplitter fliegen durch die Luft, als die Kugel von der Brüstung knapp hinter Griffon abprallt. Er scheint völlig unbeeindruckt und fixiert Veronique mit einem herausfordernden Blick. »Daneben«, sagt er völlig ruhig.
Veronique kneift die Augen zusammen und verzieht den Mund zu einem bösen Lächeln. »Ich schieße nie daneben.«
Giacomo packt Griffon am Arm und stößt ihn unsanft vorwärts. »Spar dir die Mühe«, sagt Griffon und wirft Veronique
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