Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
eigens für die Eltern dort hingestellt hat. Für mich ist der Unterricht leichter, wenn der Sessel leer bleibt. Wenn ich mit den Schülern allein bin, kann ich entspannen und ihnen vielleicht auch mal ein paar Dinge zeigen, die interessanter sind als die klassischen Fingersätze und Tonleitern, die die Eltern für ihr Geld sehen wollen.
Mrs. Garcia nimmt ihre Handtasche auf den Schoß und schaut zu, wie Oscar sein Cello auspackt. Ich werfe einen kurzen Seitenblick auf die Tasche, ein Versuch, ihr per Telepathie mitzuteilen, dass heute die erste Unterrichtsstunde im Monat ist. Zahltag. Eigentlich ist Unterrichten okay, manchmal macht es sogar Spaß, aber ich hasse es, dem Geld hinterherzurennen. Natürlich sind es die reichsten Eltern, die am häufigsten vergessen, mich zu bezahlen.
»Hast du geübt, während ich weg war?«, frage ich Oscar und mache mein Cello bereit. So was muss ich fragen, wenn die Eltern in Hörweite sind. Es gefällt ihnen, ihre Sprösslinge von einem echten Wunderkind unterrichten zu lassen, aber trotzdem erwarten sie, dass ich mich genau wie eine Lehrerin verhalte.
Er zuckt nur mit den Schultern, was vermutlich bedeutet, dass er sein Cello seit der letzten Stunde nicht angefasst hat. Sein Bogen sägt mit einem quietschenden Geräusch über die Saiten, das mir durch Mark und Bein geht. Es gibt Kinder, die sich niemals mit einem Instrument anfreunden werden, ganz egal, wie sehr ihre Eltern sich das wünschen.
Ich bringe mein Cello in Position und spiele ein paar Takte aus einem Lied, das ich Oscar in den letzten drei Stunden beizubringen versucht habe, und er gibt sein Bestes, um mitzuhalten. Nach achtundzwanzig quälenden Minuten darf er den Bogen beiseitelegen und sein Instrument wieder einpacken. Während er seine Sachen einsammelt, winkt mich seine Mom zu sich heran.
»Ich finde, er spielt wirklich schon sehr viel besser«, schwärmt sie, und ich frage mich, ob sie tatsächlich im gleichen Raum gesessen hat. »Das letzte Stück klang richtig voll und schön. Du hast wirklich ein gutes Händchen, und wir sind sehr froh, dass wir Oscar bei dir unterbringen konnten.«
Ich ringe mir ein Lächeln ab und nicke zustimmend. Das erwarten sie von mir. Ich zögere einen Moment, bevor ich ansetze: »Öh, Mrs. Garcia? Heute ist … öh, die erste Unterrichtsstunde im Monat … und, öh …«
»Oh ja, natürlich!«, flötet sie und beginnt, in ihrer Handtasche zu kramen. »Uups, ich muss wohl mein Scheckbuch vergessen haben«, sagt sie und schenkt mir ein breites Lächeln. »Es macht dir doch sicher nichts aus, wenn ich dir den Scheck das nächste Mal mitbringe?«
»Nein, natürlich nicht, kein Problem«, antworte ich, lächele weiter angestrengt und streiche im Geist die beiden Bücher, die ich mir bestellen wollte, von der Wunschliste.
Beim Hinausgehen treffen sie im Eingang auf meine Mom, was beiderseits zu artigen Begrüßungsfloskeln und seitens meiner Mom zu umständlichem Hantieren mit Einkaufstüten führt.
»Wie war die Stunde?«, fragt Mom über die Schulter, als ich ihr in die Küche folge. Sie stellt die Tüten auf der Anrichte ab, und ich beginne, den Inhalt zu inspizieren.
»Ganz okay«, antworte ich. »Sind noch Sachen im Auto?«
»Nein, das ist alles.«
Ganz unten in einer der Tüten stoße ich auf meine Lieblingsproteinriegel und reiße die Verpackung auf.
»Iss nicht zu viel«, sagt Mom, »ich koche heute früher, weil ich abends noch ein Online-Meeting habe.« Sie zieht ein Post-it von der Kühlschranktür. »Hast du das schon gesehen?«
»Nein«, antworte ich und nehme den Zettel entgegen. Veronique würde gerne heute und Donnerstag kommen, weil letzte Woche kein Unterricht war. Ich habe ihr gesagt, das geht in Ordnung. Küsschen, Mom.
»Tut mir leid. Ich dachte, da fällt es dir am ehesten auf.«
»Seltsam«, murmele ich und schaue noch einmal auf den Zettel. »Ich hab sie vorhin noch gesehen. Im Peet’s.«
»Du warst im Peet’s?«
»Nein. Ich saß im Bus. Egal, ist nicht so wichtig.«
»Sie wollte gegen sechs kommen.«
Ich schaue auf die Uhr – dann müsste sie jeden Augenblick hier sein. »Besser, du hättest mich angerufen.«
»Tut mir leid. Wie du weißt, bin ich sowieso nicht glücklich darüber, dass du so viel Zeit mit Unterricht verbringst, vor allem, wenn deine Schulaufgaben und dein eigenes Üben darunter leiden.«
»Was soll ich denn machen, wenn ihr mir nicht mehr Taschengeld gebt? Immerhin besser, als bei McDonald’s zu arbeiten. Oder im
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