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Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)

Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia J. Omololu
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einfachsten – sie sind vielleicht manchmal ein bisschen übertrieben enthusiastisch, aber immerhin üben sie und sind bei der Sache. Verzogene Kids von Privatschulen mit gluckenden Eltern sind die Allerschlimmsten – und sie machen den Großteil meiner Schüler aus.
    »Klingt ja super«, sagt Rayne und zieht eine Grimasse.
    Wir packen unsere Sachen und ich mache mich auf den Weg zur Bushaltestelle an der Ecke. »Bis dann.«
    Ich sitze auf meinem Stammplatz im Bus, den Cellokoffer wie einen stummen Bewacher neben mir. Früher hat mich Mom immer gebracht und abgeholt, aber vor ein paar Jahren erlaubte sie schließlich, dass ich den Bus nehme, und ich genieße diese ruhigen Minuten zwischen meinen beiden Tageshälften. Während wir in Richtung Konservatorium fahren, lege ich meine Stirn ans Fenster und betrachte das Gewusel der Menschen auf den Gehwegen. Ich mag das, von meinem sicheren Posten aus die Menschen zu beobachten und im Vorbeirollen ein paar Sekunden ihres Lebens aufzuschnappen. Der Bus rattert weiter, und sie werden niemals wissen, dass ich sie gesehen habe. Wir fahren die belebte Geary Street entlang. In all dem hektischen Durcheinander gibt es in jedem Viertel ein paar Fixpunkte, die sich nie verändern, zum Beispiel der Typ, der in einem Klappstuhl auf dem schmalen Bürgersteig zwischen dem Chinarestaurant und dem indischen Laden sitzt, oder die Leute im Peet’s Coffee, die unverwandt auf ihre Laptops starren und dabei die Kaffeebecher fest umklammert halten.
    Genau in dem Augenblick, als wir an der Ampel neben dem Peet’s halten, hebt eine Frau an einem der Fenstertische den Kopf und blickt hinaus auf die Straße. Erstaunt erkenne ich, dass es eine meiner Cello-Schülerinnen ist. Ich winke ihr zu, aber der Bus fährt schon weiter und Veronique hat sich wieder ihrer Arbeit zugewandt.
    An meiner Haltestelle angekommen, hebe ich das Cello vom Sitz, lege mir den Tragegurt über die Schulter und steige aus. Wenn ich unterwegs bin oder auf Reisen, benutze ich das leichtere Cello aus Carbon, aber zusammen mit dem Koffer ist es trotzdem tonnenschwer, und ich bin froh, dass ich mich auf dem Weg zum Konservatorium keine Steigungen hinaufschleppen muss. Mein gutes Derazey-Cello, das meine Eltern vor ein paar Jahren gekauft haben, muss sich mit Übungsstunden daheim und gelegentlichen Besuchen beim Orchester begnügen. Sie haben dafür eine zusätzliche Hypothek auf unser Haus aufgenommen – die anmutigen Rundungen eines fast zweihundert Jahre alten Instruments sind nicht billig. Jedes Mal, wenn ich an all das Geld denke, das sie über die Jahre für Instrumente und Zubehör, für das Konservatorium und Privatstunden ausgegeben haben, liegt ein Stein auf meiner Brust, der so schwer ist, dass ich kaum atmen kann. Immer wenn die Schuldgefühle zu groß werden, schiebe ich ein paar zusätzliche Übungsstunden ein.
    Als ich das Konservatorium betrete, umfängt mich das vertraute Gefühl von Geborgenheit, und in der Luft liegt der Geruch von Bogenharz, alten Instrumenten und Schweiß – eine Mischung, die es sonst nirgendwo gibt. Ich atme tief ein.
    An den Wänden hängen Porträts berühmter Musiker und ich berühre kurz den Rahmen um das Bild von Guilhermina Suggia. Das tue ich immer, es soll mir Glück bringen. Sie war eine der allerersten Cellistinnen, und immer, wenn ich entmutigt bin, genügt ein Blick auf ihr Bild, damit ich mich besser fühle: das feuerrote Kleid, der stolz zur Seite gewandte Kopf, die Intensität, mit der sie das Cello attackiert.
    Im hinteren Raum höre ich den vollen, weichen Klang eines Cellos von den holzgetäfelten Wänden widerhallen, und mein Herz schlägt höher, als ich Herrn Steinbergs Spiel erkenne. Leise schleiche ich den kurzen Gang entlang, weiche den quietschenden Bohlen unter den Garderobenhaken aus, und schließlich sehe ich ihn: Er sitzt über den glänzenden Korpus gebeugt, das harmonische Zusammenspiel seiner Hände entlockt dem Instrument jede erdenkliche Nuance an Gefühl, seine Augen sind geschlossen, ein Bild völliger Hingabe an die Musik. In den Jahren unserer Zusammenarbeit habe ich Stunden damit verbracht, seine Fingersätze nachzuahmen und mir das technische Können anzueignen, um auch die schwierigsten Stücke fehlerlos meistern zu können, bis ich ihm schließlich Note für Note ebenbürtig war. Mein Herz pocht, als sein Bogen über die Saiten fliegt, eine wortlose Kommunikation, die den Raum erfüllt, bis nur noch Klang und Gefühl existieren.
    Vorsichtig

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