Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
wenn jemand sozusagen direkt an meiner Musik teilhat, das ist überhaupt nicht mein Ding.
»Wer hat das komponiert?«, fragt Veronique. »Ich glaube nicht, dass ich das schon mal gehört habe.«
Ich lehne das Cello gegen meine Schulter und lege den Bogen zurück in den Kasten. »Bloß ein Stück, das ich vor Jahren mal gespielt habe«, erwidere ich, »hat nicht mal einen Namen.«
Veronique beginnt, ihr Cello auszupacken.
»Und, wie geht’s Bono?«, frage ich.
»Versuch nicht abzulenken. Ich meine, das war wirklich fantastisch. Du solltest deine Zeit nicht mit Schülern vergeuden, sondern auf den großen Bühnen der Welt auftreten.«
»Du hast wohl mit meiner Mom gesprochen«, lache ich. »Sie behauptet, ich wurde schon als Cellistin geboren.«
Veronique sieht mich ernst an. »Mütter spüren so was oft am besten. Vielleicht weiß sie ganz genau, wovon sie spricht.« Sie wirft einen Blick in Richtung des hinteren Zimmers, in dem meine Mom sitzt und fernsieht, dann neigt sie sich zu mir herüber und sagt: »War schön, dich gestern Abend zu treffen. Hat es euch geschmeckt?«
»Öh, ja … öhm, es war echt lecker«, stottere ich. »Danke für den Tipp.«
»Freut mich.« Sie macht immer noch keine Anstalten, ihren Bogen zu nehmen. »Du bist so ein hübsches Mädchen. Und so begabt. Du hast einen netten Jungen verdient, der gut zu dir ist.«
Ich spüre, wie ich rot werde. »Öh ja, danke. Aber eigentlich sind wir nur Freunde.« Ich bete zu Gott, dass Mom nicht hört, worüber wir sprechen. Alles, was mich vom Üben abhält, ist in ihren Augen tabu – und Jungs stehen ganz oben auf der Liste.
Wir beginnen den Unterricht mit der Aria aus den Goldberg-Variationen. Mitten im Takt unterbricht Veronique plötzlich.
»Diese Phrase bringt mich immer raus«, sagt sie und nimmt den Bogen herunter. »Ich bekomme sie einfach nicht hin.«
Ich zeige auf das Notenblatt. »Meinst du die?«
»Nein, diese hier.« Sie tippt mit ihrem Bogen auf eine andere Stelle.
Dabei berühren sich unsere Hände, und ich bekomme einen leichten elektrischen Schlag, so, wie wenn man in Socken über den Teppich läuft.
»Autsch«, sage ich und ziehe erschrocken meine Hand zurück. Dann rieche ich plötzlich Seeluft.
Dichtes Gedränge und unglaublicher Lärm empfangen uns, als wir die Fähre verlassen und das überfüllte Dock betreten. Zahllose Kutschen, bestimmt Hunderte von Pferden, Männern und Frauen eilen auf der staubigen Promenade kreuz und quer in alle Richtungen. Mein Herz schlägt bis zum Hals und ängstlich halte ich in dem Gewühl nach einem vertrauten Gesicht Ausschau. Alle um mich herum reden durcheinander, in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Ich fühle mich verloren in diesem fremden Land und Panik steigt in mir auf. Eigentlich habe ich immer davon geträumt, unser kleines Dorf zu verlassen und die große, weite Welt zu sehen, aber jedes Mal, wenn ich unversehens in dieses hektische Getümmel gerate, fühle ich mich davon wie erdrückt. Meine Augen können gar nicht alles aufnehmen und mein Herz noch viel weniger.
»Willkommen in San Francisco.« Alessandra tritt neben mich, lächelt mir zu und klopft den Staub von ihrem hübschen Reisekleid.
»Hier geht es ja schrecklich turbulent zu«, sage ich, während meine Augen gehetzt durch das Gedränge irren. »Bist du schon einmal hier gewesen?«
Sie schüttelt den Kopf. »Nein, aber ich war schon in Paris, London und New York, und dort ist es auch nicht ruhiger.«
»Du warst in Paris?« Etwas so Prachtvolles vermag ich mir nicht einmal vorzustellen.
Alessandra beugt sich zu mir herüber. »Letzten Frühling habe ich dort mit Suggia gespielt.«
Mir stockt der Atem. »Ist sie so gut, wie man sagt?«
»Noch besser«, erwidert Alessandra mit einem Lächeln.
Sie betrachtet die dicht bevölkerte Promenade. »Du hattest nicht viel Zeit, dich vor der Tournee auf all das einzustellen, aber du wirst dich noch daran gewöhnen. Sicherlich hat San Francisco seinen ganz eigenen herben Charme.«
»Und wie ich sehe, können zwei der charmantesten Attraktionen der Stadt ein wenig Hilfe gebrauchen.« Paolo verbeugt sich kurz, nimmt Alessandras Hand und führt sie an seine Lippen. Auch ich werde mit einem Handkuss bedacht und Paolo blickt mit einem amüsierten Funkeln in den braunen Augen kurz zu mir auf. Ein Schauer durchläuft mich, und ich hüstele, um ihn zu überspielen.
Ich fürchte, Alessandra könnte eifersüchtig werden, wenn er so galant zu mir ist, aber sie hat sich
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