Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
bereits abgewandt und schaut nach unseren Koffern, die sich ein Stückchen weiter hinten immer höher stapeln. Als wir zum Gepäck hinübergehen, kommt Signor Luisotti, unser Dirigent und von Natur aus ein sehr hektischer Mensch, in höchster Aufregung herbeigeeilt und kaut heftig auf der Zigarre herum, die wie üblich in seinem Mundwinkel steckt.
»Dummköpfe!«, schreit er, und seine Stimme überschlägt sich fast. »Nichts als Trottel und Dummköpfe gibt es in diesem Land!«
»Beruhige dich, Antonio«, versucht seine Gattin, ihn zu beschwichtigen. »Wir haben ja noch genügend Zeit.« Unter den Erwachsenen der Truppe ist Signora Luisotti diejenige, die in allen Lagen die Ruhe bewahrt.
Signor Luisotti holt demonstrativ die Uhr aus seiner Westentasche hervor. »Unsinn. Signor Sutter erwartet uns bereits in zwei Stunden und wir müssen erst noch unser Hotel aufsuchen. Bei diesem Tempo werden wir das niemals zuwege bringen. Wo bleiben denn nur die restlichen Koffer!«
Während er weiter tobt, erscheint Alessandras Vater mit einem flachen Handwagen, auf dem sich die noch fehlenden Koffer und Instrumente befinden.
»Signor Barone!«, ruft Luisotti und streckt seine Arme gen Himmel, »Sie sind unsere Rettung!«
»Leider habe ich auch eine weniger gute Nachricht.« Signor Barone setzt eine bedrückte Miene auf, sodass Mundwinkel und Schnauzbart nach unten zeigen. »Signora Catalanis Instrument wurde auf der Überfahrt unglücklicherweise beschädigt.«
Der Rest der Truppe versammelt sich um den Handwagen und sieht zu, wie er den ramponierten Cellokoffer herunternimmt und auf den Boden legt. Selbst über den Lärm der Docks hinweg sind die entsetzen Laute der anderen Musiker zu hören, als sie durch das riesige Loch im oberen Teil des Koffers den zerborstenen Hals des Cellos entdecken. Mein Cello, für das meine Eltern ihre gesamten Ersparnisse geopfert haben.
»Kann man es reparieren?«, frage ich verzweifelt und blicke in die betroffenen und mitleidigen Gesichter ringsumher.
Signora Luisotti legt ihren Arm um mich. »Selbst wenn man es reparieren könnte«, sagt sie, »es wäre niemals mehr dasselbe.«
»Ich muss ihr leider recht geben.« Signor Barone beugt sich herab, um das Instrument in Augenschein zu nehmen. »Ein Schaden von solchem Ausmaß wird den Klang auf immer beeinträchtigen.«
»Was soll ich jetzt nur tun?«, frage ich mutlos. Wenn ich kein Instrument habe, wird man mich zurück nach Hause schicken, und mein Traum, mit einem Orchester von Weltklasse zu spielen, ist zerstört. Jetzt, wo ich gerade eine Vorstellung davon bekomme, wie der Erfolg sich anfühlt, kann ich nicht in unser Dorf zurückkehren. Tränen schießen mir in die Augen.
Alessandra legt einen Arm um meine Schultern, und ich muss mich zusammennehmen, um nicht in ihr neues Reisekostüm zu schluchzen. »Schsch …«, sagt sie, und ihre Stimme hat den gleichen beruhigenden Klang wie ihr Spiel. »Heute Abend und so lange, bis wir eine Lösung gefunden haben, wirst du auf meinem Cello spielen. Wir sind nur beim Divertimento gemeinsam auf der Bühne, das wäre also das einzige Stück, das wir umstellen müssten.«
Ich blicke zu ihr auf. »Das kann ich nicht tun.« Jedes Instrument gehört zu seinem Spieler wie sein ureigener Fingerabdruck, und keinesfalls kann ich annehmen, dass sie solch ein Opfer für mich bringt.
»Unsinn«, beharrt sie, »ich will keine Widerrede hören. San Francisco ist zwar nicht Genua, doch auch hier muss es irgendwo ein Instrument geben, das für unsere Zwecke taugt, zumindest fürs Erste.«
»Aber …«, setze ich an und wünschte von Herzen, dass alles so einfach wäre, »wir … ich habe kein Geld für ein neues Cello.«
Alessandra wischt meinen Einwand mit einer Handbewegung fort. »Mein Vater wird dir gern aushelfen.« Signor Barone scheint etwas einwenden zu wollen, aber sie lässt ihn nicht zu Wort kommen, sondern fährt rasch fort: »Und während der Tournee können wir uns ausführlich Gedanken über die Rückzahlung machen. Nicht wahr Papa?«
Ein müder, resignierter Ausdruck liegt in Signor Barones Gesicht. »Natürlich, Liebes«, sagt er, beugt sich zu ihr hinüber und küsst ihre Wange, »was immer du willst.«
Sie schenkt ihm ein warmes Lächeln. »Dann ist es also abgemacht.« Sie dreht sich herum zu Paolo, der die ganze Zeit hinter uns gestanden hat und sie mit einem Ausdruck tiefster Bewunderung ansieht: »Du wolltest uns doch mit den Koffern helfen, nicht wahr?«
»Tut mir leid«, sage
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