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Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)

Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cynthia J. Omololu
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Saag. Meine Cousinen kochen ununterbrochen, seit sie da sind. Möchtest du mal?«
    »Oh, gerne«, schnurrt Rayne und nimmt eine Gabelvoll. »Mmmhhh, das ist köstlich.«
    Auch ich will davon probieren, aber der intensive Geruch der Gewürze überwältigt mich. Ich bin wie benommen und fühle mich plötzlich seltsam losgelöst. Ich atme tief durch und sinke gegen die steinerne Lehne der Bank. Rayne, Gabi und das gesamte Schulgelände verschwinden, und an ihre Stelle tritt eine heiße, verräucherte Küche, an deren weiß getünchten Wänden Porträts von ernst dreinblickenden alten Männern hängen.
    Meine Mutter beugt sich über den großen Topf auf der Feuerstelle und rührt in einem duftenden Schmorgericht. Ihr langes, schwarzes Haar ist zu einem breiten Zopf geflochten und lose mit einem Tuch bedeckt, dessen Ende sie mit einer Hand festhält, damit es nicht in die Flammen gerät.
    Ich blicke nach unten und sehe meine nackten Füße mit den kurzen, braunen Zehen, die unter der weiten Baumwollhose hervorschauen. Ich sitze auf einem Stuhl, weit genug weg, damit ich nicht im Weg bin, aber nahe genug, um die Hitze des Feuers zu spüren. Mein Magen knurrt und gluckert.
    Geschickt greift meine Mutter ins Feuer, wendet mehrere Stücke Fladenbrot und gibt mir eines davon. »Für dich, mein Junge«, sagt sie. Ich lächele und beuge mich über den Topf, um mein Brot in das köchelnde Gericht zu tunken. Der Duft der kräftigen Gewürze lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen –
    »Alles okay?«, fragt Rayne. »Du siehst aus, als wär dir ein bisschen schwummerig.«
    Ich schüttele meinen Kopf, um die lebhaften Bilder zu vertreiben. Doch der köstliche Duft bleibt in meiner Nase, und mir wird klar, dass das Essen in Gabis Lunchbox dasselbe würzige Aroma verströmt.
    »Seit wann sprichst du Bengali?«, fragt sie mich.
    »Was meinst du?«, gebe ich zurück, immer noch bemüht, wieder in der Realität anzukommen.
    Offensichtlich bin ich diesmal nicht in Ohnmacht gefallen, sonst wären sie sicher nicht so ruhig. Trotzdem haben sie bestimmt mitbekommen, dass irgendetwas Komisches mit mir los war.
    »Bengali«, wiederholt sie und schaut mich von der Seite an. »Du hast da gesessen, ins Leere gestiert, und dann hast du ›ozasro dhanyabad‹ gesagt. Das ist Bengali und heißt so viel wie ›ich danke dir‹. Der Akzent klang zwar ein bisschen eigenartig, aber genau das hast du gesagt.«
    Immer noch sehe ich das Bild deutlich vor mir, klar und scharf wie einen Filmausschnitt, und doch ist es mehr als das, denn ich weiß Dinge, die ein einfacher Zuschauer nicht wissen könnte. Ich habe die Szene gefühlt . Den Hunger, die freudige Erwartung, das Glück, zusammen mit meiner Mutter in unserem kleinen Haus zu sein. Und plötzlich verspüre ich eine schmerzende Einsamkeit, eine Sehnsucht nach dieser Frau, der Mutter eines fremden kleinen Jungen.
    »Öhm … Wahrscheinlich habe ich das in dem indischen Restaurant aufgeschnappt, wo wir manchmal hingehen«, erkläre ich möglichst beiläufig und ringe mir ein Lächeln ab. Sie sollen nicht merken, wie verwirrt ich in Wirklichkeit bin.
    Das Glücksgefühl über meine Begegnung mit Griffon ist wie weggefegt, stattdessen empfinde ich kalte Furcht. Ein ungewohnter Geruch in einer vertrauten Umgebung – solch eine Kleinigkeit genügt, um mich in eine andere Zeit, ein anderes Leben zu katapultieren. Und es gibt keinen Ort, an den ich fliehen kann, denn das alles geschieht in meinem Kopf.

6
    Meine Schultern entspannen sich, mein Körper wiegt sich zu den weichen, samtigen Klängen, die den Raum um mich herum erfüllen. Die Finger meiner linken Hand fliegen über die Saiten und finden die Töne wie von selbst. Ich sage meinem Verstand, er soll sie gewähren lassen. In meiner rechten Hand liegt der Bogen, schwingt vor und zurück und bringt das Cello zum Klingen. Gerade verhallt der letzte Ton im Raum, da höre ich von der Tür her Applaus und drehe mich erschrocken um.
    »Das war einfach unglaublich«, sagt Veronique mit leuchtenden Augen und betritt das Zimmer. »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich jemals so spielen werde.«
    Ich atme tief durch. Wie immer, wenn ich alles gegeben habe, fühle ich mich erschöpft. »Danke«, antworte ich verlegen. Mom muss sie hereingelassen haben. So spiele ich sonst nie, wenn ich weiß, dass jemand im Raum ist. Ein Konzert vor mehreren Hundert Menschen ist kein Problem für mich, aber wenn jemand direkt neben mir steht und ich seine Reaktion sehen kann,

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