Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
Finger liegt gut auf der Saite. »Verstehst du, wie’s geht? Das ist ein A.«
»Ein A, sehr gut. Dann fehlen mir ja nur noch 25 Buchstaben«, sagt er und grinst mich an.
»Sehr witzig.«
»Willst du auch mal probieren?«
Ich stehe da und starre mein Cello an. Will ich wirklich eine Antwort auf die Frage, die ständig in meinem Hinterkopf lauert? Das Cello hat mich so lange fast überallhin begleitet und ich habe so viele Stunden damit verbracht, dass ich mich in letzter Zeit fühle, als hätte man mich von meinem siamesischen Zwilling getrennt. Und ich bin mir nicht sicher, ob einer von uns ohne den anderen überleben kann.
»Es ist niemand da, nur wir beide«, sagt Griffon. »Nicht mal deine Mom würde es hören.« Er dreht das Instrument in meine Richtung und ich lasse es vorsichtig gegen meine Schulter sinken. Das Gewicht des Cellos an meinem Körper fühlt sich so wunderbar vertraut an. Bis zu diesem Augenblick war mir gar nicht klar, wie sehr ich es vermisst habe. Ich betrachte seine elegant geschwungenen Formen und die feinen bronzenen Akzente im Lack. All das erscheint mir heute noch tausendmal schöner, und ich habe ein schlechtes Gewissen, weil es so lange unbeachtet in der Ecke stand.
Ich nehme den Bogen in meine rechte Hand, und es ist, als würde er mit meinen Fingern verschmelzen, ja sogar mit meinen Gedanken. Aber mein linker Arm beginnt, heftig zu pochen, und das Kribbeln in meinen Fingern wird immer unangenehmer. Unter der Schiene verbergen sich die schwarz glänzenden Stiche, die meine Hand vorerst unbrauchbar machen, wenn ich mir auch noch sosehr wünsche, es wäre anders. »Es ist zu früh«, sage ich, gebe Griffon den Bogen zurück und schüttele heftig den Kopf, auch, um die Tränen zu unterdrücken, die hinter meinen Lidern brennen. »Ich kann nicht.«
Griffon nimmt mir das Cello aus der Hand, beugt sich zu mir und küsst mich sanft. »Es tut mir leid. Ich hätte dich nicht drängen sollen. Du weißt selbst am besten, wann du bereit bist.«
Eine einsame Träne rollt meine Wange herab und ich wische sie ärgerlich weg.
Als Griffon das Cello wieder in den Koffer packt, sehe ich, wie sein Blick kurz zur Tür hinübergeht. Ich drehe mich um und sehe Mom. Sie tut so, als käme sie gerade erst ins Zimmer, aber das Glänzen in ihren Augen verrät mir, dass sie vermutlich lange genug dort gestanden hat. »Ich, hm, wollte nur sagen, dass die Lasagne gleich aus dem Ofen muss.« Sie zögert und schaut überallhin, nur nicht auf den Instrumentenkoffer. Dann strafft sie ihre Schultern und gewinnt ihre Fassung zurück. »Ich kümmere mich schon darum. Lernt ihr nur weiter.«
* * *
Während das Besteck auf den Tellern klappert, blicke ich immer wieder heimlich zu Griffon und kann das breite Grinsen auf meinem Gesicht kaum unterdrücken. Es war gar nicht schwer, Mom zu überreden, dass sie ihn auch einlädt, und ich habe sie gebeten, ihn neben Veronique zu setzen. Ich beobachte, wie er seine Hand nah neben ihre auf den Tisch legt oder ihren Arm streift, wenn er nach der Butter greift. Ob es irgendwelche Schwingungen zwischen ihnen gibt, kann ich nicht sagen, ihre Gesichter verraten jedenfalls nichts.
Die Eingangstür fällt krachend ins Schloss und mit einem Schwall von Entschuldigungen kommt Kat ins Zimmer gerauscht. »Ich weiß, ich weiß, ich bin zu spät. Tut mir leid. Ich war noch in der Boutique«, sagt sie ein bisschen außer Atem und setzt sich auf ihren Platz.
Mom lächelt verkrampft, während Dad seinen Ich-bin-mit-meiner-Weisheit-am-Ende-Blick aufsetzt. Sie könnten glatt als eingespieltes Paar durchgehen, und man würde nicht vermuten, dass Dad nur als Special Guest bei besonderen Gelegenheiten auftritt. Die Frage, ob sie wohl in einem früheren Leben schon mal zusammen waren, geht mir durch den Kopf – vielleicht ist damals was schiefgelaufen, und darum hat es auch diesmal nicht geklappt. Sind sie womöglich dazu bestimmt, immer wieder zusammenzukommen, bis sie es entweder hinkriegen oder endgültig aufgeben?
»Zum Glück haben wir mit dem Essen nicht auf dich gewartet«, sagt Mom verkniffen. »Veronique, Giacomo, haben Sie meine älteste Tochter Katherine schon kennengelernt?«
»Nein, ich glaube, wir sind uns noch nicht begegnet«, erwidert Veronique und lächelt zu Kat herüber.
»Ich bin die ohne Begabungen«, sagt Kat. Mom zuckt leicht zusammen, und ihre Hände krallen sich in das Stuhlkissen, während sie eine Bemerkung herunterschluckt.
»Kat!« Dad bemüht sich, seiner
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