Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
hältst du das für eine gute Idee?«
»Du willst doch jetzt nicht kneifen, oder?«
Er legt den Kopf auf die Seite und schaut mich an. »Also gut. Zehn Sekunden.«
Ich drehe das Buch in seine Richtung, damit er die Seite sehen kann, und sage in meinem Kopf zehn Mal Mississippi, bevor ich es wieder zu mir herumdrehe. »Also los. Was steht da?«
Griffon stöhnt. »Komm schon, Cole. Ich hasse das. Ich bin doch keine Zirkusattraktion. Stell es wieder weg.«
Ich lächele siegessicher. »Wusste ich’s doch. Du kannst es nicht.« Zugegeben, das mit dem Schachspiel war wirklich beeindruckend, aber mit dem Schnelllesen habe ich ihn eiskalt erwischt.
Er seufzt und legt los: »Seite 863, vierter Absatz: ›Der Zauber einer schönen Frauengestalt, der weiblichen Anmut, war eine Macht, der zu widerstehen mir immer unmöglich gewesen war; hier aber sah ich personifizierte, verkörperte Anmut, das Idol meiner kühnsten und verstiegensten Visionen.‹« Griffon sieht mich an. »Reicht dir das? Wenn du willst, sage ich auch die ganze Seite auf, könnte aber ziemlich langweilig werden.«
Ich starre auf die Buchseite, auf die Worte, die genau so dastehen, wie er sie gesagt hat, schwarz auf weiß. Da habe ich meinen Beweis. Aber anstelle von Genugtuung verspüre ich nur ein unheimliches Prickeln im Nacken, so stark, dass ich heftig den Kopf schütteln muss, um es loszuwerden. »Öh … nein. Ich glaube, das reicht.«
»Okay. Ich würde sagen, dann musst du mir all das andere jetzt auch glauben.« Er streckt die Arme nach mir aus und zieht mich auf seine Knie hinunter. Wir lachen und küssen uns gleichzeitig, sodass unsere Zähne aneinanderklappern. Er ist wunderbar. Und er ist hier, bei mir. Er streicht mir die Haare aus dem Gesicht, küsst mich diesmal heftiger und zieht mich eng an sich – mir wird ganz kribbelig davon.
»Du«, sagt er, »machst mich noch verrückt.«
Ich werfe den Kopf zurück und sehe ihn an. »Gut zu wissen«, sage ich und küsse ihn wieder.
Griffon rückt ein bisschen von mir ab und sieht zur Tür hinüber. »Vielleicht keine gute Idee«, sagt er. »Deine Mom ist gleich nebenan.«
»Entspann dich«, sage ich und ziehe ihn wieder an mich. »Sie kann uns nicht hören.«
»Haha! Dann bist du verloren …« Er gibt einen knurrenden Laut von sich, vergräbt sein Gesicht in meinem Nacken und pustet und beißt, bis ich anfange zu quieken.
»Ich ergebe mich! Ich ergebe mich!«, schreie ich und winde mich hin und her. »Ich bin schrecklich kitzelig.«
»Aha! Sehr gut. Ich werde es mir merken … für später.« Er packt mich um die Hüften und hebt mich zurück auf die Sessellehne. »Aber leider muss das noch ein bisschen warten.«
Sein Blick fällt auf die beiden Cellokoffer, die unübersehbar in der Ecke an der Wand lehnen. Ein bisschen Staub hat sich darauf gesammelt, weil ich sie jetzt seit über einer Woche nicht angefasst habe. »Hast du schon versucht zu spielen?«
Ich schüttele den Kopf. »Nein.« Jedes Mal, wenn ich an diesem Zimmer vorbeikomme, geht mein Blick automatisch zu den Celli. Aber ich will nicht daran denken. Ich habe Angst. Früher war es so unglaublich leicht, meine Finger wussten immer von allein, wo sie die Töne finden. Aber jetzt? Die Angst, nicht mehr spielen zu können, ist inzwischen sogar stärker als das schlechte Gewissen wegen meiner erschwindelten Begabung, so stark, dass ich den Gedanken lieber die meiste Zeit verdränge.
Griffon geht hinüber zu den Instrumenten, nimmt eines und hält es in meine Richtung. »Würdest du’s mir zeigen?«
Ich runzele die Stirn. »Wie man spielt?«
»Klar. Du wolltest mir doch Unterricht geben.«
Ich gehe unsicher hinüber, habe fast Panik, das Cello auch nur zu berühren. Griffon holt es aus dem Koffer und lehnt es gegen seine Schulter. »Ist es so richtig?«
»Ja, sehr gut.« Ich nehme den Bogen. »Den hältst du in der rechten Hand. Stell dir vor, er wäre der Atem des Cellos. Er erzeugt die Musik.« Ich lege den Bogen in seine Hand und zeige ihm die richtige Haltung. »Lass die Saiten erst mal außer Acht. Versuch einfach, ein Gespür für den Bogen zu bekommen.«
Griffon führt ihn mit leichter, aber fester Hand, und nur wenn er zu nah an den Steg kommt, quietscht es ein bisschen. »Zeig mir einen Ton.«
Ich nehme seine linke Hand, zeige ihm die richtige Haltung und lege seinen Finger auf die G-Saite. »Halt die Saite hier oben gedrückt und streich unten mit dem Bogen darüber.« Der Bogen wackelt ein bisschen, aber der
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