Für immer die Seele (Für-immer-Trilogie) (German Edition)
mich in Richtung der Computer in Bewegung.
»Keiner würde Millionen alter Zeitungsartikel einscannen …«, äfft Rayne mich nach.
»Ich weiß, ich weiß. Du hattest recht.«
Ich fische den Bibliotheksausweis aus meiner Brieftasche und tippe die Nummer in einen der freien Computer. Als die Homepage des San Francisco Herald auf dem Bildschirm erscheint, starre ich unschlüssig auf das leere Suchfeld. Was soll ich eingeben?
»Versuch’s doch mal mit Pacific Coast Club«, schlägt Rayne vor.
Ich rutsche beiseite. »Besser, du tippst«, sage ich und lege die rechte Hand unwillkürlich auf die Schiene an meinem linken Arm. Auch eines der Dinge, die zurzeit nicht besonders funktionieren.
Raynes Augen wandern über die angezeigten Links. »Die sind alle nach 1910. Hast du nicht erzählt, dass es früher irgendwie anders hieß? Der Typ oben an der Tür hat dir den Namen gesagt … die So-und-so-Villa.«
»Stimmt.« Ich durchforste meine Erinnerung, aber er will mir nicht einfallen, also versuche ich es mit dem Alphabet, sage im Kopf die Buchstaben auf und hoffe, dass einer davon meinem Gedächtnis auf die Sprünge hilft. Als ich bei S angelangt bin, weiß ich es. »Sutter-Villa.«
»Los geht’s.« Rayne klickt verschiedene Links an und der Bildschirm füllt sich mit alten Zeitungsartikeln.
»Hammer!«, sagt sie. »Guck dir bloß an, was früher in San Francisco so abging. Hier zum Beispiel: ›5.000 $ Belohnung für Retter des entführten Bankierssohns‹.« Ihre Augen überfliegen den Artikel. »Witzig, die schreiben Indizium statt Indiz. Oder hier: Ein Offizier wurde öffentlich aufgehängt … In Stockton wurde ein Viehdieb erschossen … Ein Betrüger aus Chinatown wurde ermordet.«
»Rayne, konzentrier dich aufs Wesentliche.« Ich greife mit meiner rechten Hand nach der Maus und ziehe den Cursor auf einen farbig unterlegten Artikel. »Da ist es …«, flüstere ich. »20. Juli 1895. Urteilsspruch zur Tragödie in der Sutter-Villa: Im Prozess wegen versuchten Mordes an Clarissa Catalani und Totschlags an Alessandra Barone am vergangenen Silvesterabend befand die Jury den Angeklagten Lucio Barone heute in beiden Fällen für schuldig.«
»Oh mein Gott!«, flüstert Rayne zurück. »Clarissa? Das warst du, oder? Und wer ist Lucio Barone?«
Wie benommen starre ich auf den Bildschirm. »Ihr Vater. Alessandras Vater.« Ich denke zurück an die Szene auf dem Dach, an Signor Barone, der mit dem Finger auf mich zeigt, und die Polizeidiener, die mich fortbringen. »Ich habe sie nicht getötet. Er war es. Aber er hat behauptet, ich hätte es getan.« Mein Herz hämmert, doch gleichzeitig verspüre ich eine ungeheure Erleichterung. »Wenn Griffon recht hat, dann muss Veronique denken, ich hätte sie getötet. Aber ich war es nicht. Und jetzt kann ich es beweisen.«
Rayne liest sich alles noch einmal durch. »Versuchter Mord? Das heißt, ihr Vater wollte dich auch umbringen!«
Ich bin geschockt. »Daran erinnere ich mich nicht. Alles, was ich weiß, ist, dass ich auf dem Dach stand und Alessandra dort unten liegen sah.«
»Wenn es einen Prozess gab, dann muss darüber noch mehr zu finden sein. Irgendwann zwischen Januar und Juli 1895.« Rayne beugt sich herüber und gibt einen neuen Suchbegriff ein.
Sie überfliegt die Ergebnisse und sieht mich dann fragend an: »Wer war Paolo Sartori?«
»Er und Alessandra waren ein Liebespaar. Ich glaube, seinen Nachnamen kannte ich gar nicht.«
»Offensichtlich hat er ihren Tod nicht verkraftet.« Sie dreht den Monitor in meine Richtung, damit ich den Artikel lesen kann.
7. Januar 1895
Kein Ende der Sutter-Tragödie: Sartori nimmt sich aus Verzweiflung das Leben
Paolo Sartori, Mitglied des Young Masters Orchestra und Betroffener der Tragödie in der Sutter-Villa, beging gestern Abend gegen 23:20 Uhr Selbstmord. Sartori schoss sich mit einer Kleinkaliberpistole in den Kopf und starb kurze Zeit später. Als Motiv für seine Tat wird Verzweiflung angenommen. Als Sartori zum Hotel Black Swan zurückkehrte, ging er nicht wie gewohnt auf sein Zimmer, sondern setzte sich auf die Eingangstreppe, knöpfte Mantel und Weste auf, legte die Pistole an seine rechte Schläfe und drückte ab. Der 18-jährige Italiener hielt sich in der Stadt auf, um das Gerichtsverfahren zum Tod einer jungen Frau zu verfolgen, die wenige Tage zuvor in der Sutter-Villa ums Leben gekommen war.
»Kanntest du ihn auch?«, fragt Rayne, als ich zu Ende gelesen habe.
»Ja«, antworte ich leise. Ich
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