Fuer immer du
ausgeprägt; kein Staub auf den Regalen, kein dreckiges Geschirr in der Spüle und ein Bad sollte bitte täglich geputzt werden. Mein Bruder Tom hatte mich gerne als übertrieben pingelige Kuh beschimpft, wenn ich ihm ständig alles hinterherräumte. Aber eigentlich war er froh über meine Putzsucht gewesen, er vertraute sogar darauf, dass ich alles aufräumte, was er so liegen ließ.
Nach einer geschätzten Ewigkeit hatte ich es tatsächlich geschafft, mein e Haare in Form zu bringen, sodass meine lila Spitzen, die einzigen waren, die jetzt noch abstanden. Meine Haare waren etwa kinnlang, die Spitzen nach außen gerichtet, der Pony Audrey-Hepburn-kurz. Ich war nicht hübsch. Dave, mein Mentor und Freund (nicht Freund im Sinne von Freund, sondern Freund im Sinne von Kumpel – richtig guter Kumpel), meinte Mal, ich wäre elfenhaft niedlich.
Ich hass te es, niedlich zu sein. Das ließ mich jünger aussehen, als ich wirklich war, zumal ich noch nicht einmal über Hüften verfügte. Deswegen gab ich mir alle Mühe älter zu wirken. Ich umrandete meine dunkelgrünen Augen dick mit Schwarz und trug meist Sachen, die eng an meinen Körper anlagen, damit jeder sehen konnte, dass ich tatsächlich eine Brust hatte und kein feminin wirkender Junge war. Meine Wangenknochen waren kaum ausgebildet, mein Kinn war einen Tick zu spitz, und weil meine Naturhaarfarbe eigentlich ein helles Braun mit einem Kupferstich war, saßen auf meiner Nase überflüssiger Weise auch noch ein paar Sommersprossen. Nicht viele, genau einundzwanzig, ich hatte sie mal gezählt.
Mit meiner Mutter einkaufen zu gehen, war so ziemlich das Letzte, was ich wollte, weil das nämlich hieß, dass ich gezwungen war, mit ihr zu kommunizieren. Ich konnte einfach nicht vergessen, dass Tom wegen ihr das Land verlassen hatte.
Ja! Mein Bruder hatte sogar das Land verlassen, um von unserer Mutter wegzukommen! Okay, wenn ich ehrlich bin, lag es vielmehr am neuen Mann meiner Mutter. Nach der Trennung unserer Eltern war Tom drei jahrelang der Mann im Haus. Für mich war er sogar viel mehr Vater gewesen, als unser leiblicher Vater. Der war nämlich Soldat bei der US-Armee und hier in Deutschland stationiert, und selten mal zuhause gewesen. Bis er plötzlich beschlossen hatte, nach New York zurückzugehen. Mutter wollte in Deutschland bleiben, also trennte man sich einvernehmlich. Wir zogen nach Wiesbaden, weil Mutter dort ein neues Leben beginnen wollte, weit weg von den Erinnerungen, die an Linden hafteten, wo sie viele Jahre glücklich mit Vater gewesen war. In Wiesbaden traf sie ihren zweiten Ehemann und Tom fühlte sich wohl verdrängt. Jedenfalls brach ab da die Hölle in unserer Familie los. Jeden Tag flogen zwischen den Männern die Fetzen, bis auch Tom nach New York ging. Was sagte das über meine Mutter und mich aus? Die wichtigsten Männer in unserem Leben hatten uns verlassen.
»Dieser Spiegel würde doch ganz wundervoll in deinen kleinen Flur passen«, meinte sie gerade überfreundlich und zeigte auf ein Monstrum mit dickem Goldrahmen, das eher den Geschmack meiner Oma getroffen hätte. Ich war jemand, der es schlicht und einfach mochte. Nachdem ich fast eine Stunde die nett gemeinten Ratschläge meiner Mutter hatte ertragen müssen, war ich kurz davor, es aufzugeben und mich mit dem Spiegelschrank für das Bad zufriedenzugeben, der gerade groß genug war, um mein Gesicht zu zeigen.
Doch da war er plötzlich. Mein Spiegel, ohne Schnörkel. Nur mit einer Lampe am oberen Ende versehen. Genau dieser Spiegel musste es sein, oder gar keiner. Was meine Einrichtung anging, legte ich genauso viel Wert auf Perfektion, wie bei meinem Sinn für Ordnung. Ich hatte sehr genaue Vorstellungen und diese wollte ich erfüllt haben. Also ging ich keine Kompromisse ein. In meinem Kopf war alles schon genau durchgeplant, jedes einzelne Detail. Ein Punkt, in dem ich meiner Mutter sehr ähnlich war, auch wenn sich unsere Geschmäcker doch deutlich unterschieden.
»Der ist wirklich schön, aber denkst du nicht auch, dass er zu teuer ist, dafür, dass er wirklich nur aus einer Scheibe ohne Rahmen und einer Lampe besteht? Der kostet ja mehr als der mit dem Goldrahmen«, meinte meine Mutter, statt mir dabei zu helfen, das Teil in den Wagen zu hieven.
»Den nehm e ich«, sagte ich nur und ging nicht weiter auf sie ein. Insgeheim freute ich mich sogar, über mein eigenes Geld verfügen zu können. So konnte ich kaufen, was mir gefiel. Und um es meiner Mutter erst richtig zeigen zu
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