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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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nimmt. Wie er sie hält und nicht loslässt. Wie Tränen über seine Wange rinnen. Wie sie in den weißen Stoff fallen. Träne für Träne. Wie sie sich lösen von seiner Haut, wie sie nach unten fallen, tief. Ihre Finger ineinander, seine, ihre. Wie Max fest zudrückt, wie ihre Finger still bleiben. Wie Max seinen Kopf zur Seite dreht.
    Wie die Tränen nicht aufhören zu fallen. Wie er sieht, was passiert ist. Wie er auf den Tisch starrt, der in der Ecke steht. Die Frischhaltefolie. Eine Rolle, noch neu, nur ein Streifen ist abgeschnitten. Er hat sie zurückgelassen für ihn.
    Max bewegt sich nicht. Nur seine Augen, wie sie auf den Tisch starren, auf die Folie.
    Wie er beginnt zu schreien.

Zehn
     
    Seit über zwei Stunden sitzt Max auf dem Stuhl.
    Er bewegt sich nicht. Wie kalt sie war. Wie sehr er sich in den Besucherraum zurückwünscht, die Uhr zurückdrehen will, wie sehr er es bereut, dass er Wagner nicht getötet hat. Wie es immer wieder durch seinen Kopf geht. Dreißig Sekunden länger, und Hanni wäre noch am Leben. Wagner wäre tot, nicht Hanni. Er hätte sie nie berührt, sie nicht ausgezogen, sie nicht kaputt gemacht. Ihren Körper, ihr Lachen, ihren Mund. Wie Max ihre Hand hielt. Wie er neben ihr lag. Wie sie sie wegbrachten. Wie sie aufgehört hat, da zu sein.
    Er sitzt auf dem Stuhl und schweigt.
    Er spürt, wie es weh tut. Wie Baroni ins Zimmer kam. Dann die Polizei, das kleine Zimmer wurde voll. Uniformen, Stimmen. Baroni musste Max mit Gewalt von Hanni wegholen, Max klammerte sich an ihr fest, legte sich auf sie, versteckte sich hinter ihr. Baroni versuchte verzweifelt, Max zu beruhigen, ihn dazu zu bringen, mit dem Schreien aufzuhören, aufzustehen, sich auf den schäbigen Stuhl zu setzen. Er umarmte ihn, hielt ihn fest, bis sie Hanni wegbrachten. Bis alle wieder verschwunden waren, bis nur noch das weiße Laken da war, Baroni und Max, am späten Nachmittag allein.
    Zuerst nur Tränen, Schluchzen, kein Wort, das geholfen hätte. Jedes Mal, wenn Baroni ansetzte zu reden, begann Max wieder zu schreien. Baroni umarmte ihn, bis Max bereit war einzusehen, dass Hanni offiziell eines natürlichen Todes gestorben war, dass die Polizei keine Anzeichen auf Fremdeinwirkung sah, dass sie einfach aufgehört hatte zu atmen. Erstickt worden, hingerichtet von einem geisteskranken Dreckschwein. Nichts davon.
    Er musste es akzeptieren. Dass nur ein Unglück passiert war, kein Mord. Keine Untersuchung. Keine Spuren, niemand hat ihn gesehen, niemand kennt sein Gesicht, er kann es nicht gewesen sein, er war im Gefängnis. Wagner. Kein Wort über ihn. Weil niemand ihnen glauben wird. Dass er Max bestraft hat, dass er ihm alles genommen hat, dass er ihm das Herz zerfetzt hat. Dass fast nichts mehr davon übrig ist.
    Keiner wird es glauben. Dass die Frischhaltefolie am Morgen noch nicht da war, dass sie nicht auf dem Nachtkästchen lag, dass Wagner sie dort hingelegt hat, für Max. Sie würden keine Spuren finden, nichts von ihm, es würde immer Plastikfolie bleiben, die auf einem Tisch liegt. Nichts sonst. Deshalb kein Wort zu den Polizisten, zu den Kriminalbeamten, die durch das Zimmer schlichen, auf Hanni starrten, auf Max. Kein Wort darüber in dem kleinen Gasthauszimmer. Kein Wort über ihren Besuch bei Wagner.
    Baroni hatte Max angefleht, es für sich zu behalten, das Gefängnis wäre die Alternative gewesen. Sie hätten alles erzählen müssen, die Vorgeschichte. Mordversuch, weil sie einen Häftling gefoltert, ihn fast umgebracht hatten. Max schwieg.
    Im Gefängnis nützen wir niemandem, hat Baroni gesagt. Max hat nur genickt.
    Nachmittag. Im Zimmer ist es still.
    Er sitzt auf seinem Stuhl. Niemand weiß, was sie wissen. Max wünscht sich, Wagner wäre tot. Hanni würde noch leben. Er wünscht es sich und weiß, dass es Unsinn ist, dass nichts sie zurückbringen wird, kein Hoffen, kein Wünschen. Es tut so weh. Überall. Dass sie nicht mehr da ist. Dass sie sie weggebracht haben in dem Blechsarg. Hanni.
    Baroni neben ihm. Er hält ihm sein Telefon hin, er hat Tildas Nummer gewählt.
    Rede mit ihr, sagt er.
    – Max?
    –
    – Es tut mir so leid, Max.
    – Sie ist tot.
    – Warum, Max? Was ist passiert? Paul sagt, es war Herzversagen.
    – Kein Herzversagen, Tilda.
    – Was dann, rede mit mir.
    – Hanni ist tot. Und du liegst in einer Kiste unter der Erde.
    – Wenn du mehr weißt als Paul, dann sag es mir. Was ist passiert?
    – Es war Wagner.
    – Was redest du da?
    –
    – Du sollst mit mir reden, Max, ich

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