Für immer tot
dazu, normal zu schlagen, er bringt seinen Körper wieder unter Kontrolle, gleichmäßig atmet er ein und aus. Bis nichts mehr daran erinnert, was passiert ist. Nichts außer seinen Augen.
Wagner steht auf.
– Ich nehme an, es hat keinen Sinn, mich bei der Anstaltsleitung über diesen Vorfall zu beschweren. Aus diesem Grund werde ich mich jetzt zurückziehen. Von weiteren Besuchen bitte ich Sie Abstand zu nehmen.
– Ich will zum Direktor, Baroni.
– Wir gehen jetzt, Max.
– Wir gehen noch lange nicht, wir gehen jetzt zum Direktor und schauen uns dieses verschissene Gefängnis genauer an.
Wagner geht zur Tür. Einmal noch dreht er sich kurz um und schaut Max an. Drei Sekunden lang, bevor er verschwindet. Drei Sekunden diese Augen.
Das hättest du nicht tun sollen, sagen sie.
Acht
Die Vorzimmerdame bringt Kaffee.
Max und Baroni sitzen tief in einer beigen Ledercouch und warten auf den Anstaltsleiter. Baroni hat bei seiner Sekretärin um einen Termin gebeten, er hat sie umgarnt, sie hat ihn kurz mit Blum sprechen lassen. Baroni hat ihm erzählt, dass Max der Stiefsohn der Entführten ist, der Frau, deren Geschichte die Nachrichten seit Stunden überflutet. Er hat ihn gebeten, ihnen zu helfen, mit ihnen zu reden, der Direktor wollte sie zuerst abwimmeln, irgendwann gab er aber nach. Auch wenn er nicht verstand, wozu dieses Gespräch gut sein sollte, er ließ sich überzeugen von dem Drängen in der Stimme des Fußballstars, von der Verzweiflung in den Augen von Max. Er versprach ihnen, sich die Zeit zu nehmen, in einer guten halben Stunde würde er ihnen zur Verfügung stehen.
Eine halbe Stunde, eine Stunde, egal, denkt Max.
Er wird bleiben, bis er weiß, was hier passiert ist. Er will das Gefängnis sehen, jeden Winkel, er will das Loch suchen, aus dem Wagner gekrochen ist, um Tilda einzugraben, er will mit dem Anstaltsleiter reden, mit dem Mann, der für diese Schweinerei verantwortlich ist. Mit dem Mann, dessen Angestellte unbeaufsichtigte Treffen mit Häftlingen verkaufen. Max ist außer sich, er will nicht glauben, dass sie falsch gelegen sind, dass sie Wagner Unrecht getan haben, dass sie ihn umsonst gequält haben. Max will irgendetwas, nur nicht dass sich herausstellt, dass sie einen Fehler gemacht haben, dass Wagner unschuldig ist, dass Tilda Unrecht hatte. Er will einen Grund für das, was er getan hat.
Während er wartet und sich nicht von der Stelle rührt, begreift er langsam, was passiert ist im Besucherraum. Dass sie beinahe einen Menschen umgebracht, ihm mit einer Frischhaltefolie das Leben genommen haben. Fast wäre Wagner tot vor ihnen gelegen, fast wären sie in Handschellen abgeführt worden, fast. Eine halbe Minute länger und er wäre tot gewesen.
Wie dankbar Max plötzlich ist. Dass Wagner lebt. Dass Baroni ihn gestoppt hat. Wie dankbar er in diesem Vorzimmer sitzt und Kaffee trinkt, wie egal es ihm ist, dass sie warten müssen, dass Zeit vergeht. Nichts anderes ist wichtig in diesem Moment, nur dass es so ausgegangen ist. Tilda ist plötzlich weit weg. Dass er beinahe zum Mörder geworden ist, macht ihm mehr Angst, als es das Bild von Tilda unter der Erde tut. Nirgendwo ist ein Fernseher, der an sie erinnert, keine Suchhunde bellen. Max und Baroni sitzen einfach nur da und warten. Über eine Stunde lang.
Dann geht die Tür auf.
Sebastian Blum bittet sie in sein Zimmer. Er ist hilfsbereit und freundlich, er zeigt sich geschmeichelt, dass der Fußballstar, dessen Fan er schon vor vielen Jahren war, in seinem Büro Platz nimmt, dass er sich mit ihm unterhält. Ein Vorzeigebeamter, denkt Max, die Krawatte perfekt gebunden, die Brille geputzt, nichts in dem Büro steht am falschen Platz. Blum ist die Ordnung in Person, alles an ihm. Alles auf seinem Schreibtisch ist sauber, gestapelt, geschlichtet, in diesem Büro werden keine Regeln gebrochen, niemals. Das steht auf Blums Stirn, es ist in seiner Stimme, in seinen Worten, überall.
– Was kann ich für Sie tun, meine Herren?
– Sie wissen ja, warum wir hier sind.
– Nein, eigentlich nicht. Wir haben der Kriminalpolizei heute Morgen bereits alle gewünschten Auskünfte gegeben. Ich muss gestehen, ich habe nicht wirklich verstanden, was einer unserer Häftlinge mit der Sache zu tun haben soll.
– Meine Stiefmutter liegt irgendwo unter der Erde.
– Ich weiß, Herr Broll, und das bedaure ich sehr. Ich möchte Ihnen mein Mitgefühl aussprechen.
– Sie wird sterben, wenn wir nicht alles versuchen.
–
– Sie wird
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