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Für immer tot

Für immer tot

Titel: Für immer tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Aichner
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stirbt, immer wenn ein Grab fertig ausgehoben ist, wenn alles gut gegangen ist, keine Erde eingebrochen, das Grab für die Beerdigung bereit ist, immer dann, wenn Max die Schaufel zufrieden zur Seite legt, klettert er noch einmal hinunter und legt sich hin. Das war immer schon so.
    Probeliegen, sagt Baroni.
    Max will wissen, wie es sich anfühlt, wie er seine Toten bettet. Und er genießt die Ruhe da unten, an diesem Ort, an den außer ihm niemand lebendig hinkommt. Dass Baroni ihm für diese Angewohnheit regelmäßig den Vogel zeigt und dass sie ihm schon einmal beinahe das Leben gekostet hat, ist ihm egal. Immer noch legt er sich hinunter.
    Heute wie damals.
    Hanni war plötzlich da, sie stand oben, schaute zu ihm hinunter, lachte.
    Die alte Bäckerin war gestorben, Max hatte ein Leben lang Brot bei ihr gekauft, sie hatte ihm Schaumrollen geschenkt, als er ein Kind war, er mochte sie. Deshalb trank er einen Schnaps auf sie. Unten im Grab, der Flachmann, aus dem sein Vater vierzig Jahre getrunken hatte, in seiner Hand. Er schaute den perfekt geschalten Grabwänden entlang nach oben. Wie sie ihn angrinste. Und wie er liegen blieb. Zuerst lachte sie, dann wurde sie still, schaute nur nach unten in seine Augen. Eine Frau an einem Grab, wie sie nach unten schaut. Ein offenes Grab, in dem ein Mann liegt und zurücklächelt, der ihre Blicke erwidert. Max und Hanni.
    Er wusste, wer sie war, dass sie den Würstelstand nach dem Unfalltod ihrer Eltern übernommen hatte, er hatte sie schon als Kind gekannt, doch nie hatten sie mehr als drei Sätze miteinander geredet. Er hatte Würste gegessen in ihrer Nähe, sie hatte ihn freundlich angelächelt und ihm das Geld aus der Hand genommen. Mehr nicht. Max wollte nichts wissen von Frauen, nichts von ihrer Herzlichkeit, von ihrem Humor, von ihrem wundervollen Körper, diesen herrlichen Brüsten. Drei Jahre lang war Hanni eine von vielen im Dorf, doch plötzlich saß sie neben ihm.
    Prost, sagte sie.
    Willst du auch einen, fragte er.
    Er war aufgestanden und hatte ihr die Hand gegeben. Sie hatte sie genommen, ohne zu zögern war sie nach unten gestiegen, vorsichtig war sie an Max hinuntergeklettert, vorsichtig hatte sie sich gesetzt.
    In 2,20 Meter Tiefe lehnten ihre Rücken an den Grabwänden, sie saßen sich gegenüber. Wortlos ging der Flachmann von ihm zu ihr und wieder zurück. Eine halbe Stunde lang in kleinen Schlucken.
    – Bist du öfter hier? Schönes Plätzchen.
    – Schön, dass du da bist.
    – Warum lachst du? Hier wollte ich immer schon mal hin.
    – Ist nicht die beste Gegend hier für ein hübsches Mädchen.
    – Das Mädchen findet es schön hier.
    – Wirklich?
    – Wir könnten uns öfter hier treffen.
    – Hier ist ab morgen geschlossen, leider.
    – Schade.
    – Hanni Polzer, du bist witzig.
    – Du auch.
    – Schön, dich kennenzulernen.
    – Max?
    – Ja.
    – Darf ich dich küssen?
    – Warum?
    – Weil dir das gut tut.
    – Tut es das?
    – Das weißt du.
    – Und dann?
    – Gehen wir nach oben und ziehen uns aus.
    – Und dann?
    – Schläfst du mit mir.
    – Wir sind auf einem Friedhof.
    – Darf ich?
    – Wir sitzen in einem Grab.
    – Mach einfach die Augen zu und halt die Klappe.
    Sie war wie eine Lawine, wie tausend Finger, die im selben Moment über seinen Rücken strichen, tausend Hände, Münder, ihre Zunge. Im Grab der alten Bäckerin haben sie sich zum ersten Mal geküsst.
    Max erinnert sich. Wie leidenschaftlich sie war. Damals und gestern. Wie sehr sie ihn geliebt hat. Wie sehr er sich bemüht hat, sie zu lieben. Wie sie zusammenkamen und wieder auseinandergingen. Er konnte sich nicht endgültig für sie entscheiden, Emma spukte immer noch durch seinen Kopf, Emma Huber, seine erste große Liebe, Emma, von der er sich vor einem Jahr endgültig verabschiedet hatte. Emma ging. Hanni blieb.
    Max war ihr so dankbar, dass sie nicht aufgehört hatte, an ihre Liebe zu glauben. Dass sie immer noch da war und auf ihn gewartet hatte. Hanni. Wie schön dieses Jahr mit ihr war. Wie weh es tut, dass sie jetzt in einem Blechsarg liegt, dass sie allein ist, ihr Haut, kalt. Dass sie ihn nie wieder anlachen wird, mit ihm schwitzen, ihn necken, küssen, ihn in den Arm nehmen, ihn halten wird. Wie sie darauf wartet, dass er sie eingräbt, Erde auf sie schaufelt. Wie weh es tut.
    Wie Max laut Stopp schreit und aus dem Wagen aussteigt.
    Er wird nicht ins Dorf zurückfahren, nicht einfach so, er wird nicht einfach sein Maul halten und Tränen in ihr Grab werfen, er

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