Fuer immer und alle Zeit
tatsächlich etwas von Jerlene Monroe in Darci steckte, wenn auch nicht der Wesenszug, an den er gedacht hatte. Sobald Vernon den Scheck sah, schlug er vor, den ganzen Betrag doch auf sein Konto einzuzahlen. »Dann bekommst du höhere Zinsen«, hatte er mit vor scheinbarer Redlichkeit triefender Stimme erklärt.
»Ich sag dir was, Onkel Vern«, entgegnete Darci lächelnd. »Ich eröffne einfach ein eigenes Konto, und dann kannst du dein Geld auf mein Konto überweisen. Wie findest du das?«
Es gab ein großes Hin und Her, und Darci musste sich einige üble Beschimpfungen anhören, aber an so etwas war sie gewöhnt. Wenn sie das Geld nicht wirklich gebraucht hätte - dieses Bedürfnis nach Geld bestimmte letztlich den gesamten Verlauf ihres weiteren Lebens -, hätte sie ihr Glück von Herzen gern mit ihm geteilt. Aber sie konnte es sich nicht leisten, auch nur einen einzigen Cent abzugeben.
»Du weißt doch, dass Darci Schulden hat«, meinte Tante Thelma. Aber auch sie war sichtlich wenig erfreut, dass ihre einzige Nichte das ganze Geld für sich behalten wollte. Außerdem hielt keiner ihrer Verwandten Darcis »Schulden« für die unerträgliche Belastung, für die Darci sie hielt.
Schließlich erklärte Darci, sie werde über Onkel Verns Bitte nachdenken und ihnen am nächsten Tag Bescheid geben. Allerdings sagte sie ihren Verwandten nicht, dass mit dem Scheck auch ein Schreiben des Mannes gekommen war, den sie in ihrem Vorstellungsgespräch kennen gelernt hatte -ein gewisser Adam Montgomery, der ja nun wohl ihr Chef war. Er teilte ihr ein Datum und eine Uhrzeit mit, zu der ein Auto sie abholen und nach Camwell in Connecticut zum Landhotel »The Grove« bringen würde. In dem Schreiben war auch eine Telefonnummer angegeben, aber als Darci dort anrief, meldete sich nur der Anrufbeantworter. Sie hinterließ eine Nachricht, in der sie bat, der Wagen möge sie nicht an der Wohnung ihres Onkels, sondern sechzehn Blocks weiter in einem viel hübscheren Teil New Yorks abholen.
Am Morgen des Tages, an dem sie ihren neuen Job antreten sollte, verstaute Darci ihre Habseligkeiten in ihrem alten Koffer und schleppte ihn die sechzehn Blocks an den Ort, an dem der Wagen sie treffen sollte. Da er erst für vierzehn Uhr angekündigt war, stand sie dort eine ganze Weile herum. Aus Angst, das Auto zu verpassen, verließ sie die Ecke nur ein einziges Mal ganz kurz, um sich ein Thunfischsandwich zu besorgen. Danach sauste sie sofort wieder an den Treffpunkt zurück. Pünktlich um vierzehn Uhr kreuzte dann der schwarzen Lincoln mit den braunen Ledersitzen auf.
Auf der Fahrt nach Connecticut kauerte Darci die ganze Zeit am vorderen Rand der Rückbank und löcherte den Chauffeur mit Fragen. Als sie in Camwell, einer ziemlich entlegenen Ecke im Norden Connecticuts, ankamen, wusste sie mehr über diesen Mann als seine letzten beiden Ehefrauen.
Und jetzt war sie hier. Von Adam Montgomery war allerdings weit und breit nichts zu sehen. Darci war viel zu aufgeregt, um im Bungalow zu bleiben und ihren Koffer auszupacken. Außerdem würde das ohnehin nicht mehr als fünf Minuten dauern. Sie wollte viel lieber alles erkunden, und zwar als Erstes das andere Schlafzimmer.
In diesem Raum, der um etliches größer war als ihrer, standen zwei französische Betten. Sie fuhr mit der Hand über die Tagesdecken und überlegte, welches Bett er wohl benutzte. Dann begutachtete sie den Schrank, der mit Kleidern voll gestopft war. Es war Herbst in Neuengland, und die Kleidung in Mr Montgomerys Schrank wirkte, als sei sie genau richtig für diese Jahreszeit und für diesen Ort. Als Darci mit der Hand über ein Cordhemd fuhr, bemerkte sie, dass auf dem Etikett im Kragen nichts anderes stand als seine Initialen. Seine Kleider waren also maßgeschneidert! Es gab Hemden aus Flanell und Cordsamt, Pullover aus flauschiger Wolle und daneben auch noch ein paar Baumwollhemden, die sich unglaublich weich anfühlten. Auf dem Boden des Schrankes standen sechs Paar Schuhe, alle ordentlich mit hölzernen Schuhspannern versehen.
»Donnerwetter!«, wunderte sich Darci. »Sechs Paar Schuhe!«
Nach einem kurzen Blick in die Schubladen des Zimmers ging sie ins Bad und sah sich auch dort gründlich um. Sie roch am Inhalt jeder einzelnen Flasche und berührte alles, was sie fand. Als sie diesen Raum anschließend verließ, wusste sie, dass sie ihren Chef nun, falls nötig, allein an seinem Geruch erkennen würde.
Doch wo steckte er? Inzwischen war es bereits sechs Uhr.
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