Fuer immer vielleicht
nicht perfekt, für keinen. Du bist nicht die Einzige, der es so geht, es hängt keine dicke schwarze Wolke über deinem Kopf. Es fühlt sich nur manchmal so an. Du musst aus dem, was du hast, das Beste machen, und du hast Glück , weil du eine tolle Tochter hast, gesund, intelligent, lustig. Zu allem Überfluss findet sie dich auch noch super. Verlier das nicht aus den Augen, Rosie. Wenn Katie Brian kennen lernen möchte, dann solltest du sie darin unterstützen. Natürlich kannst du trotzdem wegziehen, er kann euch ja besuchen.
Rosie: Ach Ruby. Vor einem Monat hab ich noch gedacht, ich bin im Paradies.
Ruby: Tja, das ist das Problem mit dem Paradies – es ist für Schlangen besonders anziehend.
*
Liebe Stephanie,
Glückwünsche zur Schwangerschaft! Ich freue mich sehr für dich und Pierre, und ich bin sicher, Baby Nummer zwei wird euch genauso viel Freude machen wie Jean-Louis. Ich nehme an, dass Mum dir schon das Neueste erzählt hat. Sie ist sehr glücklich, dass ich nun doch nicht nach Amerika ziehe. Alex natürlich nicht. Er hat geschimpft wie ein Rohrspatz und mir alles an den Kopf geschmissen, was ihm gerade in den Sinn kam. Er glaubt, dass ich mal wieder klein beigebe und mich von allen nur ausnutzen lasse. Deshalb ist er jetzt stinksauer und redet nicht mehr mit mir. Kann schon sein, dass ich mich früher gern hab über den Tisch ziehen lassen, aber diesmal nicht. Katie ist und bleibt die Nummer eins in meinem Leben, und mein Lebensziel ist es, dafür zu sorgen, dass sie die bestmögliche Chance hat, glücklich zu werden.
Sie hat in letzter Zeit eine Menge durchgemacht – die Sache mit Greg, dass wir wieder bei Mum und Dad eingezogen sind, die Vorbereitungen für den Umzug nach Amerika. Das war superstressig für sie. Sie sollte sich über Pickel, BHs und Jungs Sorgen machen, nicht über Ehebruch, nicht über Umzüge durch die halbe Welt und auch nicht über Väter, die sich erst in Luft auflösen und dann plötzlich und unerwartet wieder aus der Versenkung auftauchen. Das ist alles nicht ihre Schuld, und da ich sie in die Welt gesetzt habe, finde ich, dass ich ihr mindestens eine so gute Mutter sein sollte wie bisher.
Ich erwarte jeden Moment, dass Alex durch die Tür gestürmt kommt. Garantiert ist er ins erstbeste Flugzeug gestiegen, um rüberzufliegen und Brian die Fresse zu polieren. Vermutlich sind beste Freunde für so was da. Ich kann nicht mal dran denken, wie das Leben in Boston hätte sein können, ohne dass ich anfange zu heulen. Mir ist schleierhaft, wie ich jetzt weitermachen soll. Ich hab keine Arbeit, keine Wohnung und lebe wieder bei den Eltern. Alles in diesem Haus erinnert mich an eine Zeit, in der ich überhaupt nicht glücklich war.
Bitte sei nicht sauer, dass ich mich in letzter Zeit nicht oft gemeldet habe, aber ich musste grässlich viel nachdenken. Als ich in die Schule gekommen bin, fand ich die Leute in der sechsten Klasse so alt und klug, obwohl sie grade mal zwölf waren. Als ich selber zwölf wurde, dachte ich, mit achtzehn hat man die Welt in der Tasche. Als ich achtzehn war, dachte ich, wenn ich mit dem College fertig bin, dann bin ich echt erwachsen. Mit fünfundzwanzig hatte ich es immer noch nicht aufs College geschafft, war immer noch ahnungslos, hatte aber eine sechsjährige Tochter und die feste Überzeugung, wenn ich erst mal die dreißig überschritten hätte, wäre ich zumindest einigermaßen darüber informiert, was eigentlich abgeht in der Welt.
Jetzt denke ich, wenn ich fünfzig, sechzig, siebzig, achtzig, neunzig bin, werde ich der Weisheit und der Erkenntnis auch nicht viel näher sein. Vielleicht denken Leute auf dem Sterbebett nach einem langen, langen Leben, in dem sie alles gesehen, die Welt bereist, Kinder großgezogen, Dämonen bekämpft und die harten Lektionen des Lebens gelernt haben: »Bestimmt wissen die Leute im Himmel alles.«
Aber ich wette, wenn sie dann gestorben sind, schließen sie sich der Gesellschaft da oben an, sitzen rum, spionieren ihren Lieben nach und reden sich ein, dass sie in ihrem nächsten Leben ganz bestimmt alles auf die Reihe kriegen.
Aber ich glaube, ich weiß jetzt, wie es läuft, Steph. So viele Jahre hab ich drüber nachgedacht, und inzwischen bin ich zu dem genialen Schluss gekommen, dass nicht mal der alte Rauschebart da oben die leiseste Ahnung hat, was eigentlich abgeht.
Rosie
Von: Stephanie
An: Rosie
Betreff: Das Leben
Na, ist das nicht eine kluge Erkenntnis?
Das Alter hat dich doch ein bisschen
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