Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)
konnte er wenigstens nicht sehen, dass sich mein Gesicht dunkelrot verfärbte. „Das … das ist eine Rarität“, stammelte ich, „ein wunderschönes, uraltes Stück …“
„Genau wie ich“, sagte Rasmus, und da konnte ich nicht anders, als mich umzudrehen und in sein gespielt verschlagenes Grinsen zu schauen.
„Sag mal, ist da vielleicht jemand eifersüchtig?“
„Auf deine Beziehung zu Büchern?“, fragte er mit blitzenden Augen zurück. „Nicht doch, ich begnüge mich mit einem guten zweiten Platz.“
„So bescheiden kenne ich dich ja gar nicht. Verlierst du auf deine alten Tage an Biss?“, versuchte ich, ihn weiter zu necken.
Blitzschnell streckte Rasmus beide Hände aus und hakte seine Finger in die Gürtelschlaufen meiner Jeans, um mich an sich heranzuziehen. Völlig unvorbereitet auf dieses Manöver stolperte ich nach vorne und stürzte praktisch in seine Arme. „Sag du es mir“, verlangte er gedämpft.
Ich schaute zu ihm hoch, und meine Welt schien nur noch aus dem Braun seiner Augen zu bestehen, aufgehellt von winzigen, bernsteinfarbenen Sprenkeln. „Doch nicht vor Homer“, hauchte ich, dann trafen seine Lippen auf meine. Ein heißes Kribbeln ging von seiner Berührung aus und strömte durch meinen ganzen Körper. Rasmus ließ sich Zeit mit dem Kuss, wich immer wieder um wenige Millimeter zurück, bis ich endlich seine Zungenspitze fühlen konnte. Ich streckte mich nach oben und schlang die Arme um seinen Hals, vergrub meine Finger in seinem zerzausten Haar …
„Ach, kommt schon, Leute“, maulte Sam, halb versteckt hinter einem Regal. „Ihr beide schafft es echt, den alten Spruch ‚ Nehmt euch ein Zimmer‘ wieder lustig wirken zu lassen!“
Mit einem unwilligen Geräusch löste sich Rasmus von mir. „Wir sollten Samaels Zartgefühl nicht verletzen“, sagte er mit gesenkter Stimme, aber offenbar doch laut genug, dass Sam es hören konnte. Jedenfalls ertönte hinter dem Regal ein genervtes Schnauben.
Während der folgenden Stunde durchkämmten wir die Buchreihen gemeinsam nach irgendetwas, das auch nur im Entferntesten nützlich sein könnte. Dann suchten wir uns ein abgeschiedenes Plätzchen zum Lesen. Selbst durch drei geteilt, war unser Bücherstapel riesig, aber während ich ein Werk nach dem anderen herunternahm, durchblätterte und beiseitelegte, nahm meine Enttäuschung noch größere Ausmaße an: Die wenigen Zeilen, die vom Abaddon handelten, machten mich kein bisschen schlauer als die Passage aus der Bibel.
Sam schien die Aussichtslosigkeit unserer Recherche schon früher erkannt zu haben als ich, oder er war einfach nur faul; jedenfalls hatte er damit begonnen, die Bücher als Ersatz für Bierdeckel zum Häuserbauen zu verwenden. Eine Erinnerung tauchte in meinen Gedanken auf – Sam, wie er an meinem ersten Schultag an der Galilei High in der Cafeteria saß und einen Turm aus Kuchenstückchen fabrizierte –, aber ich konnte dieses Bild und die Gegenwart unmöglich miteinander verbinden.
Rasmus blickte auf. „Samael, dir ist schon klar, dass wir hier dem Wandler zwischen den Welten auf die Spur zu kommen versuchen, oder? Lies bitte weiter!“
„Kann ich nicht“, sagte Sam, „ich bin abgelenkt.“
„Und wovon, bitteschön?“
„Von all den nervigen kleinen Dingen, die mir erst wieder hier in der irdischen Welt auffallen: Wenn ich schlucke, habe ich ein Knacksen in den Ohren, meine Zunge fühlt sich im Mund so komisch an, und Atmen ist total mühsam, wenn man mal drauf achtet.“
Rasmus vergrub das Gesicht in seinen Händen und stöhnte leise.
„Was denn, Raziel, bereite ich dir etwa Kopfschmerzen?“
„Ja, ganz furchtbare“, murmelte Rasmus in seine Finger.
„Außerdem“, fuhr Sam munter fort, „hat der Unterkiefer ein ziemliches Gewicht, merkt ihr das?“
Ich merkte es tatsächlich. Noch während Sams Gejammer hatte ich mich gefühlsmäßig in eine atmende, schluckende Ansammlung von Körperteilen verwandelt, die sich keinesfalls aufs Lesen konzentrieren konnte. Verflixter Dämon!
Nur wenige Sekunden später klappte auch Rasmus sein Buch zu. „Okay, machen wir Schluss“, meinte er, und es klang gleichermaßen resigniert wie erschöpft. „Wir können diesen Stapel ja ausleihen, um ihn zu Hause weiter durchzugehen.“
„Welch spaßige Abendbeschäftigung“, flötete Sam und hatte sich auch schon einen Schwung Bücher unter den Arm geklemmt, um damit zur Ausleihtheke zu eilen. Dort saß eine Frau im Studentenalter, die mit ihrer engen
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