Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)
kippte ich den Inhalt kurzerhand auf den Boden, um so schnell wie möglich an mein Handy zu kommen.
„Heute Nacht passiert es wahrscheinlich“, tippte ich fieberhaft und fügte dann mit dem Anflug eines Grinsens Jinxys typischen Spruch hinzu: „Das fühle ich im kleinen Zeh!“
Im nächsten Moment stoppte das Wasserrauschen. Hastig drückte ich auf SENDEN und hatte gerade noch genug Zeit, alles wieder in meine Tasche zu stopfen und zurück ins Bett zu springen, bis Rasmus hereinkam. Er schaute mich so merkwürdig an, dass meine Aufregung gleich von Sorge verdrängt wurde.
„Was ist los, ist etwas passiert?“, fragte ich beklommen.
Rasmus schüttelte den Kopf, während er langsam auf mich zukam. Obwohl er sich inzwischen angewöhnt hatte, sich wesentlich „menschlicher“ zu bewegen als früher, lag nun wieder etwas Raubkatzenhaftes in seinem Gang. Seine Haare klebten nass an seinen Schläfen, und von einer der dunklen Strähnen löste sich ein Wassertropfen, der über seine Wange rollte und im Halsausschnitt seines T-Shirts versickerte.
„Nein, es ist nichts passiert“, antwortete er gedehnt, während er eine Hand in die Tasche seiner Jeans schob. „Noch nicht, jedenfalls.“
Verwirrt blinzelte ich zu ihm hoch. Von einer Sekunde auf die nächste wechselte sein Gesichtsausdruck – alles Lauernde verschwand, und das Grübchen in seiner rechten Wange vertiefte sich. Schwungvoll beförderte er sein Handy aus der Hosentasche hervor. „Aber heute Nacht vielleicht. Zumindest, wenn man deinem kleinen Zeh Glauben schenken darf.“
Ich starrte ihn an.
Dann sein Handy.
Dann wieder ihn.
Und dann schien es mir eine wunderbare Idee zu sein, unter der Bettdecke auf Tauchstation zu gehen. Ich hatte doch tatsächlich die SMS für Jinxy einfach an den letzten Absender geschickt! Warum, warum nur hatte das ausgerechnet Rasmus sein müssen? (Dass es auch nicht gerade erfreulich gewesen wäre, wenn stattdessen mein Vater den Text bekommen hätte, bedeutete für mich nur einen schwachen Trost.) Zum Glück war dieses Hotelbettlaken ziemlich bequem, ich würde nämlich die nächsten zehn bis zwanzig Jahre darunter verbringen.
„Lily?“, drang es dumpf zu mir herein. Als ich nicht reagierte, fühlte ich ein Stupsen in der Seite.
„Wieso?“, winselte ich, ohne mich darum zu kümmern, ob Rasmus mich trotz des Deckenbergs verstehen konnte. „Wieso haben wir nicht ein Zimmer inklusive Erdspalte genommen? War doch klar, dass ich irgendwann im Laufe des Abends darin versinken wollen würde!“
„Hey!“ Jetzt zog Rasmus die Decke herunter, gerade so weit, dass er meine Augen freilegte. „Vor mir braucht dir doch nichts peinlich zu sein.“
Ich schniefte. „Gar nichts? Auch nicht, wenn ich … sagen wir mal … irrtümlich in meinem Schlafanzug auf die Straße gehen würde?“
„Hätte kein Problem damit.“
„Und wenn ich dann auch noch stolpern und in einen Springbrunnen fallen würde?“
„Dann würde ich mich zu dir gesellen. Ist sicher sehr erfrischend, und außerdem gibt’s da drin jede Menge Kleingeld.“
„Und wenn ich von dem Erlebnis so verwirrt wäre, dass ich an den Polizisten vorbei direkt vor das Auto des Papstes rennen würde, der gerade zu Besuch in der Stadt ist, woraufhin ich als die verrückte Demonstrantin im nassen Pyjama auf den Titelblättern aller Zeitungen lande?“
Rasmus lachte leise. Mit beiden Händen strich er mir die Haare aus dem Gesicht. „Du bist komisch“, flüsterte er.
„Das stimmt.“ Ich nickte in seinen Handflächen, dann runzelte ich die Stirn. „Doof komisch?“
„Gerade richtig, wenn du mich fragst.“
Seine Augen wirkten noch dunkler als sonst, während er mich damit fixierte. Nun lagen seine Hände reglos neben meinen Wangen, und er machte auch keinerlei Anstalten, sich mir noch weiter zu nähern. Trotzdem hatte ich das Gefühl, dass sich die Spannung zwischen uns immer mehr steigerte. Es kribbelte überall, als wäre die Luft elektrisch geladen. Etwas umständlich schob ich die Decke weg, und Rasmus verfolgte jede meiner Bewegungen. Sein Blick war so intensiv, dass ich mich verlegen zur Seite drehen wollte, aber er hielt mich behutsam fest. Dann küsste er mich, diesmal um ein Vielfaches drängender. Ganz kurz spürte ich seine Zähne an meiner Unterlippe und konnte nicht verhindern, hörbar nach Luft zu japsen. Meine Finger glitten über seinen Hals und hakten sich in den Kragen seines Shirts, als suchten sie dort nach Halt. Ich musste aber gleich
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