Für immer zwischen Schatten und Licht ("Schatten und Licht"-Saga 2) (German Edition)
Vogelnest, das ich vermutlich auf dem Kopf trug. Auf einmal machte ich mir Sorgen, man könnte mir ansehen, dass ich die letzten Stunden nicht schlafend zugebracht hatte, doch Serafina lächelte nur freundlich.
„Sammy schnarcht“, erklärte sie, „das hatte ich ganz vergessen. Es ist ja irgendwie liebenswert, aber ich habe jetzt mal fünf Minuten Erholung davon gebraucht.“
„Jinxy ist ja auch nicht die leiseste Bettnachbarin“, antwortete ich mit einem vorsichtigen Lachen.
„Oh, das kann man wohl sagen.“ Serafina deutete einladend auf den Stuhl, der ihr gegenüberstand. Ich spielte mit dem Gedanken, Müdigkeit vorzutäuschen, aber nachdem ich gerade erst aus meinem Zimmer gekommen war, würde das wohl kaum glaubwürdig wirken. Gegen meinen Willen nahm ich also Platz und zog die klammen Füße unter mich.
„Schläft Raziel schon?“, fragte Serafina, noch bevor eine unangenehme Gesprächspause entstehen konnte. Als ich nickte, griff sie gedankenverloren nach ihrem Haar und begann, es zu flechten. Es erstaunte mich fast, dass dieses schimmernde Gold keine Spuren auf ihren Fingern hinterließ. „Ja, das dachte ich mir. Während der Fahrt hatte ich schon Angst, dass unser Ausflug zu viel für ihn sein könnte. – Darf ich ehrlich zu dir sein?“
„Klar“, meinte ich locker, schob aber dabei die Zeitschriften hin und her, die auf dem Tischchen zwischen uns lagen. Serafinas Lächeln war verblasst, und ihr ernsthafter Gesichtsausdruck machte mich nervös.
„Ich war ja darauf vorbereitet, dass die Richter ihn geschwächt hatten“, sagte sie leise. „Dennoch war es ein Schock, ihn im Krankenhaus zu sehen, und in der vergangenen Woche ist es eher noch schlimmer geworden. Natürlich versuche ich mir nichts anmerken zu lassen, aber … Lily, es geht ihm wirklich schlecht.“
„Das weiß ich!“, entgegnete ich schnell und ärgerte mich darüber, dass Trotz in meiner Stimme mitschwang. Aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, mich verteidigen zu müssen. „Mir ist schon klar, dass er leidet, aber das ist ja hoffentlich bald vorbei. Wenn diese Wahrsagerin uns das Buch übersetzt und wir einen Weg finden, den Abaddon …“
„Du hast die Hoffnung nicht aufgegeben, das ist gut“, unterbrach mich Serafina, und ihr feines Lächeln tauchte wieder auf. „Ich bewundere euch beide für eure Tapferkeit.“
„Wieso? Glaubst du nicht, dass wir es schaffen können?“
„Wenn du die Beseitigung des Weltenwandlers meinst – doch, das hoffe ich. Es ist immerhin schon einmal jemandem gelungen. Aber du weißt ja, dass damit nicht alle Probleme gelöst sind.“
Es klang so selbstverständlich, dass ich mich nicht traute, nachzufragen. Verlegen wich ich ihrem Blick aus und ließ die Augen durch die dämmrige Lobby wandern, bis mich eine Berührung aus meinen Gedanken riss. Serafina war in ihrem Sessel nach vorne gerutscht und hatte eine Hand auf mein Knie gelegt.
„Du bist dir doch darüber im Klaren, dass die Strafe der Richter nur ein Vorgeschmack ist, oder?“, fragte sie eindringlich. „Raziel mag wieder gesund werden, wenn sie von ihm ablassen, aber für wie lange? Vielleicht fünfzig Jahre? Und das auch nur, wenn ihn nicht schon früher eine eurer irdischen Krankheiten befällt. Weißt du, ein menschliches Leben ist für ein Wesen aus der Lichtwelt nicht mehr als ein Wimpernschlag. Bevor er sich versieht, wird Raziel alt und gebrechlich sein, aber dann gibt es keinen Weg mehr zurück.“ Der Druck an meinem Knie verstärkte sich. „Bitte entschuldige, dass ich so ein unerfreuliches Thema anspreche. Aber das will mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen, und du hast dir bestimmt auch schon Gedanken darüber gemacht.“
Anstatt zu antworten, lehnte ich mich ein wenig nach hinten und presste dabei die verschränkten Unterarme gegen meinen Magen. Auf einmal fühlte ich mich sterbenselend. In Serafinas Stimme hatte ehrliche Besorgnis gelegen, und das war das Schlimmste. Wenn es mir so vorgekommen wäre, als ob sie sich nur wichtigmachen wollte, hätte ich innerlich eine Schutzmauer gegen ihre Worte aufstellen können – aber so traf jedes davon sein Ziel.
„Natürlich habe ich darüber nachgedacht“, sagte ich schließlich heiser. „Wahrscheinlich öfter, als du dir vorstellen kannst. Aber … Rasmus hat sich doch so entschieden. Darauf habe ich keinen Einfluss.“
Serafina zog ihre Hand weg und widmete sich wieder ihrem Haar. „Lily, niemand würde dir einen gewissen Egoismus in dieser
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