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Für jede Lösung ein Problem

Für jede Lösung ein Problem

Titel: Für jede Lösung ein Problem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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falschen Perlen, die silbernen Figurenanhänger, den Granatschmuck und die Rosenquarzketten, während ihre Mütter die Köpfe an die Wand schlugen, aber Tine, Rika, Lulu und ich ließen den ganzen billigen Plunder links liegen und griffen uns die richtig guten Sachen. Das Saphircollier bekam Tine, Rika die Diamantohrstecker, Lulu eine feine Platinuhr mit Brillianten, und ich suchte mir einen Ring mit einem riesigen geschliffenen Aquamarin aus.
    Als ich ihn mir auf den kleinen Wurstfinger schob, schluchzte Tante Alexa laut auf, und Tante Evelyn murmelte: »Wechselbalg!«
    »Sei du besser mal ganz still«, sagte meine Mutter zu ihr. »Du hast dir doch schon die ganzen Antiquitäten und das Porzellan unter den Nagel gerissen.«
    »Welches Porzellan denn?«, rief Tante Evelyn. »Das gute Meißner hat doch deine Jüngste auf dem Gewissen.«
    »Das stimmt«, sagte Tante Alexa. »Von Rechts wegen müsste sie deshalb vom Erbe ausgeschlossen sein.«
    Aber davon hatte meine Oma nichts gesagt.
    Auch beim zweiten Durchgang – »Nicht die roten Ohrringe, Diana, die anderen roten Ohrringe!!!« – erwischten wir instinktiv die wertvollsten Teile, Rika den Anhänger mit dem Bolder-Opal, Tine den Smaragdring, Lulu die Rubin-Ohrringe und ich die Perlenkette mit der Diamantschließe. Meine Mutter war sehr stolz auf uns gewesen.
    Außer dem Schmuck hatte ich keine wirklich wertvollen Besitztümer, aber trotzdem wollte ich nicht, dass das wenige, das ich hatte, in die falschen Hände geriet: meine Sammlung zum Teil antiquarischer Kinderbücher zum Beispiel, der iPod oder das Notebook. Spontan hätte ich beinahe zum Telefonhörer gegriffen und meine Mutter angerufen: »Nicht, dass du alles nur Arsenius und Habakuk zuschusterst, hörst du?« Aber dann fiel mir doch noch rechtzeitig ein, dass eine solche Äußerung ziemlich unklug gewesen wäre. Biszu meinem Todestag musste ich mich möglichst unauffällig und normal verhalten, sonst würde am Ende noch jemand bemerken, was ich vorhatte, und mich in die Psychiatrie einweisen lassen.
    Ich wollte die Angelegenheit systematisch angehen, wie alles in meinem Leben. Das »Warum« hatte ich ja bereits geklärt. Jetzt musste ich mich als Nächstes um das »Wie« kümmern. Möglichst schmerzlos sollte es sein und nicht kompliziert. Und auf keinen Fall unappetitlich. Wenn möglich wollte ich tot immer noch einigermaßen gut aussehen. Man musste ja auch an denjenigen denken, der einen finden würde.
    Aber so einfach war das wirklich nicht.
    ***
    Samstagabends fand der wöchentliche Kochabend mit meinen Freunden statt, und während ich mich dafür fertig machte, grübelte ich immer noch darüber nach, wie ich »es« anstellen sollte.
    Auf www.depri-na-und.de hatte ich einen Psycho-Test zum Thema »Welcher Selbstmord-Typ sind Sie?« gemacht und dabei festgestellt, dass ich ganz klar der Marilyn-Monroe-Typ war, nicht der Anna-Karenina-Typ und auch nicht der Harakiri-Typ. Das kam mir ehrlich gesagt schon mal sehr entgegen. Es schien allerdings nirgendwo brauchbare Schlaftabletten ohne Rezept zu geben. Ich hatte nur eine Internet-Firma gefunden, die »Pharma-Markenartikel aller Art ohne Original-Verpackung« anbot, zu einem Stückpreis von 50 Cent pro Pille. Vielleicht sollte ich dort einfach ein Kilo Tabletten bestellen, sie aufessen und sehen, was passierte? Aber bei meinem Glück erwischte ich am Ende Viagra und Vitamin-C-Tabletten. Oder Tabletten, von denen einem ein Schnurrbart wuchs.
    Ich zog meinen uralten grünen Pulli an, Jeans und dazu meine Lieblingsohrhänger mit dem Froschkönig. Im Spiegel prüfte ich, ob man mir meine Selbstmordpläne irgendwie ansehen konnte, und fand, dass meine Mundwinkel völlig unpassend nach oben zeigten.Das taten sie immer. Es war ein rein anatomischer Sachbestand, in unserer Familie hatten alle Frauen diesen breiten, geschwungenen, ewig lächelnden Entenschnabel.
    »Sinnliche Lippen«, hatte Ulrich immer dazu gesagt.
    »Breitmaulfroschfresse«, hatte Britt Emke es genannt, damals in der sechsten Klasse. Charly und ich hatten ihr dafür einen frisch überfahrenen Frosch als Lesezeichen zwischen die Seiten ihres Lateinbuches gelegt. Damit sie mal sehen konnte, wie eine echte Breitmaulfroschfresse aussah. Mannomann, hatte die gebrüllt.
    Als ich die Feuertreppe hinunterkletterte, waren Volker, Hilla und die Kinder schon beim Abendessen.
    »… und segne, was du uns bescheret hast« , hörte ich sie im Chor sagen. Durch das gekippte Fenster roch es sehr lecker nach

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