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Für jede Lösung ein Problem

Für jede Lösung ein Problem

Titel: Für jede Lösung ein Problem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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für drei Stunden bei Tante Evelyn die Marmorfußböden putzen und die Perserteppiche saugen. Manchmal ließ Tante Evelyn mich auch mit einer Zahnbürste die Badezimmerarmaturen schrubben, aber was tut man nicht alles, um Kosten einzusparen, nicht wahr?
    »Wahrscheinlich bist du masochistisch veranlagt«, sagte Charly immer.
    »So schlimm ist es auch wieder nicht«, sagte ich dann. Und es war ruhig , das ist gar nicht hoch genug zu bewerten, wenn man zu Hause arbeiten muss. Von den gelegentlichen Xavier-Naidoo-Attacken abgesehen war es mucksmäuschenstill hier. Im Erdgeschoss wohnten Tante Evelyn und Onkel Korbmacher, im ersten Stock mein Cousin Volker mit Hilla und den vier Kindern – Petrus, Theresa, Johannes Paul und Bernadette –, welche für Kinder dieses Alters erschreckendleise waren. Machten sie auch nur die geringsten Anstalten, sich zu streiten, sagte Hilla, dass sie damit Jesus sehr traurig machten, und weil die Kinder Jesus auf keinen Fall traurig machen wollten, hörten sie dann immer sofort wieder mit dem Streiten auf.
    Im Dachgeschoss hatte es eigentlich mal zwei Wohnungen gegeben, eine große und eine kleine. Die kleine bewohnte ich, die große hatte Volker umgebaut, sodass sie jetzt zu der Wohnung im ersten Stock gehörte, wegen der vielen Kinder. Das gemeinsame Treppenhaus war den Umbaumaßnahmen zum Opfer gefallen: Meine ehemalige Wohnungstür war zugeschraubt worden, und ich musste seither, um in meine Wohnung zu kommen, über eine Wendeltreppe aus Stahl klettern, die an der Außenwand montiert worden war. Im Winter bei Frost war das eine rutschige Angelegenheit, und im letzten Januar war ich gestürzt und hatte mir eine unschöne Prellung am Steißbein zugezogen, aber im Sommer ersetzte die Wendeltreppe einen Balkon: Man konnte dort in der Sonne sitzen und den Nachbarn beim Autowaschen zusehen.
    Alles in allem war meine Wohnsituation durchaus akzeptabel.
    Charly teilte meine Meinung allerdings nicht. Sie hielt meine Tante und meinen Onkel für bigotte Spießer, meinen Cousin fand sie seltsam und Hilla und die Kinder total bekloppt. Na ja, ein bisschen bekloppt waren sie vielleicht wirklich. Das letzte Mal, als Charly zu Besuch war, hatten sie im Sandkasten »Übers-Wasser-gehen« gespielt.
    »Was hast du da in der Ta-sche-he?«, fragte Johannes Paul.
    »Ronina, die Vampir-Lady«, sagte ich und kletterte über Johannes Paul hinweg auf die Feuerleiter.
    »Was ist denn eine Vam-pia-lee-di-hie?«, fragte Johannes Paul hinter mir her.
    »Du, das musst du mal in der Kinderbibel nachlesen.« Sonst war ich wirklich nicht so garstig zu dem Kind, aber heute fiel mir die Fragerei einfach nur auf den Wecker. Ich eilte die Treppe hoch, schloss die Wohnungstür auf, pfefferte Handtasche und Jutebeutel in eine Ecke und schloss die Tür hinter mir ab. Hätte ich ein »Bitte nicht stören«-Schildbesessen, hätte ich es an die Klinke gehängt. Sollten sie mich doch alle in Ruhe lassen. Ich wollte nichts weiter, als ein paar Tage ungestört mit der Suche nach einer passenden Todesart zu verbringen. War das vielleicht zu viel verlangt?
    Auf meinen »Depressionen«-Websites hatte ich – gründlich wie ich war – natürlich auch gelesen, dass es noch andere Wege aus der Depression gab als den Selbstmord. Zum Beispiel Medikamente. Aber ich bezweifelte ernsthaft, dass es ein Medikament gab, das mich mein Leben, wie es im Augenblick war, wieder in einem rosigen Licht sehen lassen würde. Die aufgeführten Psychopharmaka schienen außerdem alle eine Nebenwirkung zu haben: Es fielen einem davon die Haare aus. Ich meine, wie viel Tabletten muss man denn schlucken, um sich nicht nur mit einem total verfahrenen Leben, sondern auch noch mit schütterem Haar zu arrangieren?
    Dafür hätte ich schon eine massive Hypnose benötigt, Sie wissen schon, eine von den Hypnosen, bei denen man sich für ein Huhn hält, mit dem Hals ruckt, gackert und versucht, ein Ei zu legen. Aber Hypnotiseure, die so etwas können, sind wohl eher selten. In der Regel gibt es doch nur die, die einem massenhaft Geld dafür abknöpfen, dass sie einem dreißigmal sagen: »Du hasst Zigaretten, dir wird schon von ihrem Anblick schlecht.« Bei so einem war Charly mal, und sie rauchte immer noch.
    Und was eine Therapie anging: Bis der Therapeut wusste, was ich wusste, würden Jahre ins Land gehen. So lange würde ich es auf keinen Fall mehr aushalten.
    Ich hatte die Schnauze voll.
    Das Fass war endgültig übergelaufen. Schluss. Aus. Finito. Ich wollte

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