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Für jede Lösung ein Problem

Für jede Lösung ein Problem

Titel: Für jede Lösung ein Problem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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mich schon wie verrückt auf meine Zeit als Häuptlingsfrau, aber dummerweise gibt es im Dorf kein Telefon, keinen Briefkasten und keine Handys. Deshalb werde ich dich sehr vermissen. Aber vielleicht können wir ja manchmal im Traum miteinander sprechen und Neuigkeiten austauschen.
    Iss immer viel Gemüse.
    Deine Gerri (die ab morgen Yocata heißen wird, das bedeutet so viel wie »die, die auf Wolken schwebt«.)
    P. S. Liebe Caroline, lieber Bert! Haustiere sind gut für die psychische Entwicklung eines Kindes. Sie fördern das Verantwortungsgefühl und stärken ganz allgemein die Persönlichkeit. Gute Eltern ermöglichen ihren Kindern die Haltung eines Haustieres, und Flo ist jetzt im richtigen Alter für ein Kaninchen. Ich habe euch zu diesem Thema einige Artikel aus dem Internet ausgedruckt und beigelegt und hoffe sehr, dass ihr einer guten alten Freundin nicht ihren letzten Wunsch abschlagen werdet.
    Bitte gebt Flo den Aquamarinring erst an ihrem achtzehnten Geburtstag oder noch später. Bis sie erwachsen und psychisch stabil ist, lasst sie besser in dem Glauben, ich lebte froh und munter in einem Indianerdorf. Ich halte nichts davon, Kindern zu früh alle Illusionen zu rauben, sei es den Osterhasen, den Nikolaus oder das Leben von alleinstehenden Frauen in diesem Staat betreffend. Ich denke aber nicht, dass ihr damit Probleme habt, ihr habt dem Kind ja auch die Existenz einer Schnullerfee weismachen können, die die abgenuckelten Schnuller angeblich für frischgeborene Babys braucht – HALLO? Ist das ekelhaft oder was?

S ieben
    Es war ein Fehler, noch mal hinunter in die Lobby zu gehen, ein Riesenfehler sogar. Ein nicht wieder gut zu machender Riesenfehler.
    Und das nur aus purer Eitelkeit.
    Es war nämlich so, dass ich einfach großartig aussah. Die Haare, das Make-up, das Kleid, die Schuhe – alles zusammen war der helle Wahnsinn! Ehrlich gesagt hatte ich noch nie besser ausgesehen. Die Woche übermäßigen Alkoholgenusses hatte meiner Figur gut getan, denn mir war die meiste Zeit zu übel zum Essen gewesen. Das Ergebnis war ein schöner flacher Bauch und deutlich schmalere Gesichtskonturen. Die dunklen Augenschatten ließen meine Augen größer wirken. Und der Friseur hatte mir karamell- und blasskupferfarbene Strähnchen in die Haare gemacht, was fantastisch aussah.
    An diesem letzten Abend ihres Lebens strahlte sie von überirdischer Schönheit. Niemand, der sie sah, würde diesen Anblick je wieder vergessen. Es war, als wäre ein Zauber um sie herum gewebt, der sie unwiderstehlich und unberührbar zugleich machte.
    Es wäre pure Verschwendung gewesen, mich in diesem Kleid nicht wenigstens noch ein einziges Mal lebendig zu zeigen. Nur den paar fremden Menschen unten im Hotel, und nur fünf Minuten lang. Bei der Gelegenheit konnte ich auch gleich die Verpackungen der Schlaftabletten wegwerfen, die ich alle einzeln aus ihren Aluschälchen gedrückt und auf dem Tisch in Fünferreihen ausgelegt hatte. Daneben standen schon der Wodka, eine Flasche Wasser, ein Wasserglas und ein Schnapsglas bereit.
    Die Abschiedsbriefe hatte ich im Postkasten vor dem Hotel eingeworfen, schön der Reihe nach. Es waren viele, zum Teil dicke Kuverts gewesen, ein Vermögen hatte ich für Porto ausgegeben, der Briefkasten war bis oben hin vollgestopft.
    Um sechs Uhr abends war er bereits geleert worden, jetzt war es halb acht. Alle meine letzten Worte waren auf dem Weg zu ihren Empfängern.
    Es verlief genau nach Plan. Nichts konnte nun mehr schief gehen.
    »Ich habe aber noch Zeit«, sagte ich zu meinem Spiegelbild. Der bodentiefe Spiegel des Hotelzimmers war goldverziert und verlieh meiner Gestalt einen würdigen Rahmen. »Ich kann hinuntergehen und mich ein bisschen bewundern lassen, und dann kann ich wieder hochkommen und mit dem Schlucken anfangen.«
    Mein Spiegelbild widersprach nicht, es strich sich vielmehr kokett durch die Haare und lächelte mir zu. Ich lächelte zurück. Dieser leuchtend rote Lippenstift stand mir wirklich hervorragend. Sonst hatte ich immer eher dezente Farben genommen, um meinen großen Mund nicht noch extra zu betonen, aber Julia Roberts tat das schließlich auch nicht immer. Und wenn ich mal etwas wagen konnte, dann ja wohl heute …
    Als ich unten in der Lobby ankam und meine Tablettenverpackungen in einen Abfalleimer geworfen hatte, saßen dort nur zwei alte Frauen, die aussahen, als hätten sie ihre Brillen zu Hause vergessen. Und das Mädchen an der Rezeption würdigte mich keines Blickes. Zwei

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