Für jede Lösung ein Problem
leeren musste.
Herrje! Dieser Gregor Adrian konnte wirklich froh sein, dass er noch einen anderen Job hatte und nicht vom Schreiben leben musste. Das Fehlen jeglichen Talentes stach einem auf jeder Seite ins Auge. Nicht beklagen hingegen konnte er sich über einen Mangel an Fantasie.
Eher gegen meinen Willen begann ich zu überlegen, wie man es besser machen konnte. Diese Kimberley gab als Charakter so rein gar nichts her, und auch der Abtrünnige hatte sehr schwammige Motive, ausgerechnet Kimberley beißen zu wollen. An der war wirklich überhaupt nichts Besonderes, nicht mal die Blutgruppe. Nein, da fehlte es an allen Ecken und Enden an Dramatik, echter Motivation und tiefen Gefühlen. Gefühlen wie bei der leukämiekranken Lea … Ehe ich mich versah, saß ich am Schreibtisch und schrieb eine völlig neue Version von »Leas Weg«. Die ursprünglich angedachte Handlung gewann durch diverse Kämpfe mit Zackenschwertern deutlich an Schwung, das musste ich wohl zugeben, und dass sowohl dem Antagonisten als auch dem Protagonisten des Öfteren lange Eckzähne wuchsen, verlieh dem Ganzen eine nicht zu leugnende Spannung.Was die Erotik anging: Es hatte durchaus etwas Prickelndes, wenn man nicht genau wusste, ob der Typ einen als Nächstes küssen oder beißen würde.
Mitten in der Nacht – ich arbeitete gerade konzentriert an der Transformationsszene, einer heiklen Mischung aus Blutspendeaktion und Sex – klingelte das Telefon. Es war Charly.
»Ich hatte gerade einen Albtraum«, sagte sie. »Habe ich dich geweckt?«
»Nein«, sagte ich und goss mir Rotwein nach. »Ich hatte selber gerade einen perversen Albtraum. Mit viel Blut.«
»Ich habe geträumt, dass Ulrich und ich lausige Eltern sind«, sagte Charly. »Und als ich aufgewacht bin, wurde mir klar, dass das stimmt.«
»Ach was«, sagte ich. »Ihr werdet wunderbare Eltern sein.«
»Nein«, sagte Charly. »Gestern Abend habe ich wieder geraucht. Zwar nur eine halbe Zigarette, aber es war stärker als ich.«
»Nur eine halbe ist nicht so schlimm«, sagte ich.
»Du weißt doch, was immer mit meinen Zimmerpflanzen passiert«, sagte Charly. »Was, wenn es dem Baby auch so geht?«
»Da würde ich mir keine Sorgen machen«, sagte ich. »Der Mensch wächst an seinen Aufgaben.«
»Ich werde es im Supermarkt stehen lassen«, sagte Charly.
»Wir werden ihm ein Glöckchen umbinden«, sagte ich.
»Oh, Scheiße, mir ist schlecht«, sagte Charly. »Ich glaube, ich muss mich übergeben. Aber danke, dass du mir zugehört hast.«
»Nichts zu danken«, sagte ich und wandte mich wieder meinem Manuskript zu.
***
Die Woche bis zu meinem Rendezvous mit Joe verging wie im Flug. Ich trainierte jeden Tag fleißig meine Trinkfestigkeit und arbeitete Punkt für Punkt von meiner »Zu-erledigen-Liste« ab. Und nebenher schrieb ich »Leas Weg in die Dunkelheit« fertig, denn wir vom SternzeichenJungfrau mögen keine halbfertigen Sachen. Was wir einmal angefangen haben, das machen wir auch zu Ende.
Das galt auch für die Entrümpelungsaktion.
Ich schleppte säckeweise Müll aus der Wohnung. Nachdem ich einmal angefangen hatte, kannte meine Wegwerfwut kaum noch Grenzen. Hausrat, Klamotten, Schuhe, Unterwäsche, Nippes, Bilder, Papierkram, Bettwäsche, Kosmetika – alles, was mir nicht hundertprozentig gefiel, kam weg. Es sollte nur übrig bleiben, was meine Person in einem authentischen, puristischen Licht strahlen ließ. Das war ziemlich wenig. Vor allem von meinen Klamotten blieb so gut wie gar nichts übrig.
Wäre ich nicht neurotisch depressiv gewesen, hätte mir diese Ausmisterei sogar richtig Spaß gemacht. Die Wohnung wirkte danach viel größer, die Schränke waren leer, und alles hatte seinen Platz.
Mittwochs musste ich immer bei Tante Evelyn putzen, und obwohl sie mich dieses Mal die Fransen der Perserteppiche kämmen und den Backofen reinigen ließ, verging die Zeit wie im Flug. Hätte ich doch schon früher mal gewusst, wie angenehm sich mit einem Wodkaschwips putzen ließ!
»Nächste Woche waschen wir die Schränke aus«, sagte Tante Evelyn. Sie sagte immer »wir«, wenn sie über meine Aufgaben sprach, in Wirklichkeit rührte sie aber keinen Finger, sondern sah mir die ganze Zeit nur zu und redete.
»Da freue ich mich schon drauf«, sagte ich. Nächste Woche war ich nämlich nicht mehr da.
Als ich in meine Wohnung zurückkam, rief Lakritze an und fragte, wie ich mit dem Exposé vorwärtskäme. Ich sagte, ich würde am Freitag das fertige Manuskript mit der Post
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