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Für jede Lösung ein Problem

Für jede Lösung ein Problem

Titel: Für jede Lösung ein Problem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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Geschäftsmänner im Anzug kamen durch die Drehtür, bogen aber gleich wieder nach links ab in die Bar. Sie hatten mich gar nicht gesehen. Hallo! Das ist die letzte Gelegenheit, mich lebend zu bewundern!
    Ich hätte nun spätestens wieder umdrehen und in mein Zimmer gehen sollten, aber ich hörte die Klavierklänge aus der Bar und kam auf die hirnverbrannte Idee, ein letztes Glas Champagner zu trinken, quasi als Einstimmung. Wenn die Geschäftsmänner mich auch dann nicht bemerken würden, wenn ich mit übereinandergeschlagenen Beinen auf dem Barhocker saß, war ihnen eben nicht zu helfen.
    Ich stöckelte also mit meinen wunderbaren roten Schuhen in die Bar, direkt hinein in mein Verderben. Aber das bemerkte ich zuerst nicht, ich weidete mich vielmehr an den anerkennenden Blicken der beiden Geschäftsmänner, die an einem Tisch gegenüber der BarPlatz genommen hatten. Genau wie ich es mir erhofft hatte! Mit einem zufriedenen Lächeln schob ich mich auf einen Barhocker, der genau im Blickfeld der beiden lag. Na, das hatte sich doch gelohnt. Auch der Kellner hinter der Bar schien mich ziemlich toll zu finden.
    »Ein Glas Champagner bitte«, sagte ich und klimperte ein bisschen mit meinen Wimpern.
    »Kommt sofort«, sagte der Kellner.
    Ich schlug die Beine übereinander, strich mein Kleid glatt und sah mich um. Der Raum war in kühles, schummriges Licht getaucht und in viele plüschige Nischen unterteilt. Um diese Zeit war noch nicht viel los. Die Espressomaschine gurgelte gemütlich vor sich hin, der Piano-Mann spielte »As time goes by«, und in einer Ecke gegenüber den Geschäftsmännern, halb versteckt hinter einer Grünpflanze, knutschte ein Pärchen herum. Ich wollte eigentlich nicht hinsehen, aber sie knutschten auf eine Weise miteinander, die vermuten ließ, dass die Zungen jeweils in den Nebenhöhlen des anderen steckten, widerlich.
    Die Frau hatte rote Haare, und die Arme, die aus ihrem schwarzen Etuikleid herausschauten, waren sommersprossig. Sie sah aus wie Mia. Jetzt nahm der Mann die Zunge aus ihrem Mund, und sie lachte. Genau die gleiche Lache wie Mia.
    Moment mal!
    Jetzt konnte ich ihr Profil genau erkennen, und das war unverwechselbar. Es war Mia, da gab es keinen Zweifel.
    Aber der Mann war nicht Ole. Er war dunkelhaarig und mindestens zehn Jahre älter.
    »Ihr Champagner«, sagte der Kellner.
    Nein, unmöglich. Mia war auf Fortbildung in Stuttgart und außerdem glücklich verheiratet. Die Frau, die sich jetzt erhob und eng an den fremden Mann geschmiegt an mir vorbeikam, konnte gar nicht Mia sein. Aber sie war es. Sie kam so nah an mir vorbei, dass ich sogar ihr Parfüm riechen konnte.
    Ich machte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber Mia bemerkte mich überhaupt nicht. Der Mann hatte die Hand auf ihren Hinterngelegt, und sie kicherte, während sie mit ihm durch die Glastür ins Foyer verschwand.
    »Ich bin gleich wieder da«, sagte ich zu dem Kellner und folgte den beiden bis zur Tür. Ich sah, wie sie an der Rezeption mit dem Mädchen sprachen, einen Schlüssel ausgehändigt bekamen und immer noch eng umschlungen Richtung Aufzüge gingen.
    Was sollte ich denn jetzt tun? Musste ich Ole nicht wenigstens davon unterrichten, bevor ich hinging und die einzige Zeugin dieses Vorfalls, also mich, um die Ecke brachte? Der arme Ole dachte, seine Frau machte eine Fortbildung nach der anderen, und in Wirklichkeit betrog sie ihn mit einem Po-Grabscher und Zunge-in-den-Hals-Stecker. Traurig!
    Auf der anderen Seite – was ging mich das eigentlich an? Vielleicht war es auch nur eine einmalige Sache, und Ole würde nie etwas davon erfahren und glücklich mit Mia alt werden …
    In diesem Augenblick legte jemand seine Hand auf meinen Arm. Ich quiekte erschrocken auf.
    »Psssst«, sagte der Jemand. »Ich bin’s doch nur.«
    Es war Ole.
    Ich starrte ihn an wie einen Geist. Aber er war es wirklich, das helle Haar hing ihm in die Stirn, ein leichter Zahnarztgeruch umwehte ihn.
    »W… was machst du denn hier?«, fragte ich.
    »Ich habe dahinten gesessen«, sagte Ole und zeigte auf eine entfernte Nische. »Ich dachte, ich sehe nicht recht, als du zur Tür reinkamst.«
    »Ja, aber, aber, Mia …«, stotterte ich.
    »Ja, Mia ist auch hier«, sagte Ole. »Mit ihrem Liebhaber.«
    Ich glotzte ihn mit offenem Mund an.
    »Tja, ich war auch erst ein wenig schockiert«, sagte er. »Komm, nimm deinen Champagner, und setz dich zu mir in die Ecke. Dann erzähle ich dir die ganze traurige Geschichte. Die lange traurige Geschichte,

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